Streit der Woche: Kritik am Jugoslawientribunal
Schafft Den Haag Gerechtigkeit? Ja, denn der Gerichtshof wirkt abschreckend, meint Gerichts-Vizepräsident Kaul. Aber das Jugoslawientribunal ist zu selektiv, entgegnet Regisseur Schmid.
Kurz vor Beginn des Prozesses gegen den ehemaligen bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic vor dem Jugoslawientribunal bescheinigt der Vize-Präsident des Internationalen Strafgerichtshofes Urteilen aus Den Haag eine abschreckende Wirkung. "Moralisch gesehen ist unser Gericht stark", schreibt der Richter Hans-Peter Kaul im "Streit der Woche" der sonntaz.
Die von dem Gerichtshof verkörperten Verbote würden zunehmend anerkannt. "Davon geht international eine Präventions- und Abschreckungswirkung aus, auch wenn diese schwer messbar ist", schreibt Kaul. Im Verhältnis zu Konflikten in der Welt werde der Gerichtshof aber immer klein und schwach sein, "eher ein Symbol".
Nach mehreren Terminverschiebungen beginnt am 26. Oktober in Den Haag das Verfahren gegen Radovan Karadzic. Der ehemalige Führer der bosnischen Serben wird wegen Kriegsverbrechen und schwerer Menschenrechtsverletzungen angeklagt. Der Prozess wird nicht vor dem Strafgerichtshof, sondern vor dem Jugoslawientribunal verhandelt. Es wird eines der letzten großen Verfahren des Tribunals sein, das 1993 vom UN-Sicherheitsrat ins Leben gerufen wurde, um die Verbrechen der Balkankriege juristisch zu verfolgen.
Hans-Christian Schmid, Regisseur des Films "Sturm" über das Jugoslawien-Tribunal, kritisiert die Rahmenbedingungen der Verhandlungen. Das Tribunal stehe bei seiner Arbeit unter großem Zeitdruck, was Abstriche an der Gerechtigkeit nach sich ziehe. "Man kann nicht einfach die Augen vor bestimmten Vergehen verschließen, weil deren Aufarbeitung nicht mit dem straffen Zeitplan des Gerichtes vereinbar ist", schreibt Schmid in der sonntaz.
Der Völkerrechts-Professor und Linke-Politiker Norman Paech wirft dem Tribunal außerdem vor, es sei sofort in die Falle der Siegerjustiz getappt. "Eine Strafgereichtsbarkeit ist nur dann glaubwürdig, wenn sie jeden Verdächtigen unabhängig von Herkunft oder Staat vor Gericht bringt". Das in Den Haag keine Kriegsverbrechen der Nato verhandelt würden, sei deshalb ein Fehler im System.
Außer Kaul, Schmid und Paech schreiben im "Streit der Woche" in der sonntaz Kenneth Roth, Direktor von Human Rights Watch, die Anwälte Wolfgang Keleck und Eberhard Schultz und die Wissenschaftlerin Ljubinka Petrovic-Ziemer.
Leser*innenkommentare
hto
Gast
Kein Gericht dieser Welt- und "Werteordnung" schafft Gerechtigkeit! Die Gerichte sorgen nur dafür das die Ursache im Zeitgeist unberührt bleibt und den logischen Symptomen der jeweils oberflächlich passende Sündenbock verpaßt wird - der geistige Stillstand in gleichermaßen unverarbeiteter / manipulierbarer Bewußtseinsschwäche seit der "Vertreibung aus dem Paradies", in zynischer Hierarchie von materialistischer "Absicherung".
Axel Dörken
Gast
Gerechtigkeit!
Wenn ich das schon wieder leese...
Wie wäre es, wenn wir uns mit Fakten befassen, anstatt mit Worthülsen, die innerhalb der Naturprinzipien keine Entsprechung haben?
Was bringt uns das Gefasel von Gerechtigkeit, Schuld, Sicherheit? Es hält uns und ab vom Wesentlichen.
Wer befasst sich mit solchen Themen in der Art, dass sie nicht hinterfragt werden? Menschen mit ungesundem Selbstbewusstsein und einem übersteigerten Ego.
Menschen, die ein gesundes Bewusstsein zum Ausdruck bringen, befassen sich anstatt mit solchen Forderungen mit der Frage: Was bringt es uns, wenn wir weiterhin stets das Gleiche fordern? Was bringt es uns, wenn wir uns anderem zuwenden?
Und wer dann so weit ist, dass er die Schuld gegen die Ursächlichkeit austauscht, die Gerechtigkeit als Interpretation erkennt und die Sicherheit als eine Illusion entlarvt, der macht sich wahrscheinlich auf den Weg, um den es mir im Leben zu gehen scheint:
Um eine gesundes Gewicht von Gegeneinander UND Miteinander. Die Natur schafft das. Wir können das auch. Wenn wir solche irreführenden Fragen außen vor lassen und uns endlich mehr unseren (Denk-)Mustern, (Glaubens-)Systemen und (Handlungs-)Weisen stellen, um anderes zu erdenken, zu meinen und zu erschaffen.
Denn mit dem bisherigen Denken, Meinen und Schaffen haben wir in der Mehrheit eher Leid und Schmerz erreicht, als dass wir über die Achtsamkeit gelernt haben.
Liebe Grüße
Axel