Gefährlicher Braunkohleabbau: Auch märkische Tagebaue rutschen
Ist Nachterstedt auch hier möglich? Im Januar gab es einen Erdrutsch von Waldflächen im Lausitzer Calau. Das Bergamt sieht dennoch keine Gefahr. Der BUND warnt vor voreiligen Tourismusplänen.
Es war am 30. Januar, als in Brandenburg die Erde wegsackte. Im Lausitzer Calau sollte in einem ehemaligen Tagebaurevier für das Flüsschen Kleptna ein neues, zehn Kilometer langes Flussbett angelegt werden. Das Brandenburger Bergamt hatte das Gebiet als saniert und gesichert klassifiziert und an die "Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft" (LMBV) übergeben. Dennoch rutschte plötzlich die Erde fünf Meter in die Tiefe - auf einer Waldfläche von 27 Hektar. Häuser oder Personen kamen nicht zu Schaden.
Nach dem Unglück in Nachterstedt (Sachsen-Anhalt), bei dem ein Erdrutsch am Samstag zwei Häuser 100 Meter in die Tiefe gerissen und drei Menschen begraben hat, geraten auch die riesigen gefluteten Tagebaue in der Brandenburger Lausitz in die Diskussion. Wäre hier ein ähnlicher Erdrutsch möglich?
Nein, heißt es von offizieller Seite. "Die Geologie in Nachterstedt ist mit der in der Lausitz nicht vergleichbar", so Klaus Freytag, Präsident des Brandenburger Landesamts für Bergbau, Geologie und Rohstoffe. In Sachsen-Anhalt seien wahrscheinlich unterirdische Hohlräume für den Erdrutsch verantwortlich, die durch Auswaschungen von Salzgestein entstanden und eingebrochen seien. In der Lausitz liege dieses Salzgestein aber "tausende Meter" tiefer im Erdreich. Zudem gebe es hier keine Wohnungsbebauung von sogenannten Kippenflächen. Diese bestehen aus Erdmassen, die für die einstigen Tagebaue ausgebuddelt wurden.
Auch Uwe Steinhuber, Sprecher der LMBV, schließt ein ähnliches Unglück in Brandenburg aus. "So ein Zusammenspiel von geologischen Voraussetzungen und einer Wohnbebauung, die sich so dicht an einem Bergbaufolgesee befindet, haben wir nirgends in Brandenburg", so Steinhuber. Die dortige Renaturierung früherer Tagebaue sei vielmehr eine Erfolgsgeschichte. Seit 1994 versucht sich die bundeseigene LMBV an der Wiedernutzbarmachung früherer Braunkohlegebiete. Aktuell betreut sie 172 Bergbaufolgeseen.
Der märkische BUND gibt dagegen keine Entwarnung. "Nachterstedt könnte genauso auch hier passieren", so BUND-Landesgeschäftsführer Axel Kruschat. Wo steigendes Grundwasser ins Sediment eindringe, könnten sich Erdmassen "wie Schmierseife" verschieben. Deshalb sei auch die touristische Nachnutzung an Tagebaurestlöchern bedenklich. An vielen Tagebauseen sind Bootsanlagen und Feriendomizile geplant. "Die Hänge, die sich sonst über Jahrzehnte festsetzen, sollen nun in kürzester Zeit nachgenutzt werden", kritisiert Kruschat.
Eine Gefahr sieht Bergbauamtspräsident Freytag hierbei nicht, die Baugrundstücke würden akribisch geprüft. Möglich sei allenfalls ein "Setzungsfließen" auf den Kippenflächen. Dabei geraten lockere Oberflächensandschichten ins Rutschen. Alle gefährdeten Stellen seien aber weiträumig mit Warnschildern abgesperrt, die nicht alle Märker beachten würden, so Freytag. Das sei unverantwortlich, wie das Unglück jetzt zeige.
Auch in Calau hat laut Bergamt ein Setzungsfließen den Erdrutsch verursacht. Freytag räumt ein, dass die Sanierung dort "nicht erfolgreich" verlaufen sei. LMBV-Mann Steinhuber sieht als Ursache, dass Eismassen auf den Boden gedrückt hätten. Für die Grünen zeigt der Vorfall, dass die Tagebaureviere unsicher blieben und für "eine großflächige Landschaftszerstörung" stünden.
Freytag verspricht, dass nach dem Nachterstedt-Unglück auch die Sicherheit der märkischen Tagebauseen noch einmal bewertet werde. "Wir prüfen, ob Absperrbereiche ausgeweitet werden müssen." Würde es dennoch zu Unglücksfällen kommen, sei Brandenburg gewappnet und könne mit unbürokratischen Sofortmaßnahmen reagieren.
AXEL KRUSCHAT,
LANDESGESCHÄFTSFÜHRER DES BUND
Leser*innenkommentare
Dr. Ulrich Obst
Gast
Schade, dass so selten ordentlich recherchiert wird. Das Brandenburger Bergamt hat das Gebiet keinesfalls als saniert und gesichert klassifiziert. Die Sanierungsarbeiten sind längst nicht abgeschlossen, so dass der Bereich nach wie vor unter Bergaufsicht steht(und der LMBV gehört). Lediglich die nach dem Ereignis festgelegte Sicherheitslinie schließt bis zur Feststellung der Unbedenklichkeit eine kleinere Fläche ein, für die keine Bergaufsicht besteht. Geheim wurde auch nichts gehalten. Am 23. 2. fand eine öffentliche Sitzung des Arbeitskreises Schlabendorf/Seese des Braunkohlenausschusses statt, in der vor ca. 40 Anwesenden durch die LMBV berichtet wurde und die Möglichkeit der Nachfrage und Diskussion bestand.
Dr. Ulrich Obst
Gast
Schade, dass so selten ordentlich recherchiert wird. Das Brandenburger Bergamt hat das Gebiet keinesfalls als saniert und gesichert klassifiziert. Die Sanierungsarbeiten sind längst nicht abgeschlossen, so dass der Bereich nach wie vor unter Bergaufsicht steht(und der LMBV gehört). Lediglich die nach dem Ereignis festgelegte Sicherheitslinie schließt bis zur Feststellung der Unbedenklichkeit eine kleinere Fläche ein, für die keine Bergaufsicht besteht. Geheim wurde auch nichts gehalten. Am 23. 2. fand eine öffentliche Sitzung des Arbeitskreises Schlabendorf/Seese des Braunkohlenausschusses statt, in der vor ca. 40 Anwesenden durch die LMBV berichtet wurde und die Möglichkeit der Nachfrage und Diskussion bestand.
Beinta
Gast
Fragt sich, warum Ende Januar noch nicht berichtet wurde über den Vorfall bei Calau? Wollen Sie es wissen? Damals lief ein Volksbegehren gegen neue Tagebaue. Das hat die Hofberichterstattung natürlich nicht unterstützen wollen durch Berichte von unliebsamen Vorfällen.
Wo war die taz eigentlich damals??????