Kommentar zur Europawahl: Wählen, wen man will

Die europäische Willensbildung ist fehlorganisiert.

Die Klage über das Desinteresse an Europa ist so alt wie das Europäische Parlament. Aber heute ist es gar nicht mehr in erster Linie die Machtlosigkeit der vermeintlichen "Quasselbude" in Brüssel und Straßburg, die die Menschen von den Urnen fernhält. Im Gegenteil: Dass dort immer mehr Entscheidungen fallen, die unseren Alltag bestimmen, ist längst an den Stammtischen angekommen.

Die europäische Willensbildung ist schlicht fehlorganisiert. Völlig undurchschaubar ist, was genau man mit seinem Kreuz bewirkt. Zu ändern wäre das leicht: Europa bräuchte Wahlkreise. Dann würden alle Kandidaten vor Ort für sich selbst kämpfen und nicht mehr nur für ihre Partei - und erheblich mehr Enthusiasmus dafür aufbringen, den Bürgern zu erklären, was in Brüssel wichtig ist. Das Verklappen von Partei-Altlasten auf der Europa-Liste hätte ein Ende - denn sie hätten schlicht keine Chance.

Das Gegenargument ist erwartbar: Das würde doch nur regionale Egoismen fördern! Stimmt. Aber bei 785 Abgeordneten aus 27 Ländern lassen sie sich nicht einfach durchsetzen. Kompromisse müssten dann nur entlang anderer Linien gefunden werden als bisher.

Wer Wahlkreise zu miefig-piefig findet, kann ja mal drüber Nachdenken, das in Hamburg erfolgreich erprobte Häufeln und Verteilen von Stimmen auf Europa anzuwenden. Dann könnte jeder wählen, wen er will.

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Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück

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