Jungwählerfang per Web 2.0: Grüne werden immer jünger

Die Grünen setzen im Wahlkampf neue Medien von Twitter bis Facebook. Viele Landeschefs sind jung - auch wenn die Älteren noch immer die vorderen Listenplätze dominieren.

Führt politische Debatten per Twitter: Rheinland-Pfalzs Grünen-Chef Daniel Köbler. Bild: dpa

Daniel Köbler lacht laut auf - darauf angesprochen, ob er per Twitter einen Zwist mit Josef Winkler über das Grundeinkommen ausficht. Denn so ist es aus den Schrumpfmeldungen namens "Twitter" herauszulesen: Köbler, der neue Grünen-Landesvorsitzende in Rheinland-Pfalz, ist eher für das Grundeinkommen, und Winkler, der grüne Bundestagabgeordnete, ist eher dagegen. "Dafür", meint der 27-jährige Köbler, "sind die modernen Medien ja da - um konstruktive Debatten fortzuführen."

Ein wenig unbehaglich klingt sein Lachen aber auch. Parteien im Wahlkampf können es nicht gebrauchen, wenn ihre internen Streitereien öffentlich werden. Der digitale Schlagabtausch zwischen den beiden Rheinland-Pfälzern ist zwar freundlich und harmlos. Doch er lässt ahnen, auf welche unzähligen kleinen Strudel die Grünen mit ihrem neuen Wahlkampfkonzept zusteuern.

Drei Zielgruppen hat die Wahlkampfchefin, Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke, ausgemacht: Erstens StammwählerInnen, klar. Zweitens rot-grüne WechselwählerInnen, auch klar. Drittens: 2,6 Millionen ErstwählerInnen. Parteichef Cem Özdemir hatte kürzlich erklärt, ausdrücklich auch Unionswähler umwerben zu wollen. Wahlkampfleiterin Lemke sagt dazu nur eines: "Im Wahlkampfkonzept stehen die drei Zielgruppen." Unionswähler sind bekanntlich nicht dabei.

Die Jungwähler sollen vor allem mit modernen Medien erreicht werden: Blogs, Twitter, Facebook, YouTube. Doch wird es sich das junge Wahlvolk kaum nehmen lassen, zurückzubloggen und zu twittern. Internet-Kommunikation ist offener und damit riskanter, als es vielen Wahlkampfstrategen gefällt. Einen Vorgeschmack bekamen die Bundesgrünen, als die Jung-Bloggerin Julia Seeliger 2007 in den Parteirat gewählt wurde und sich daraufhin manches ehrliche Wort über grüne Machtstrukturen im Internet nachlesen ließ.

Doch "unsere Wählerinnen und Wähler sind noch internetfreundlicher, als wir es selbst vermutet hätten", erklärt Lemke. 75 Prozent der Grünen-WählerInnen, 90 Prozent der unter 35-jährigen Grünen-WählerInnen surfen mehrfach wöchentlich im Netz. Im Durchschnitt tun das nur 35 Prozent der Deutschen.

Am Dienstag sind alle Grünen-Landesvorsitzenden nach Berlin geladen, um mit der Bundesspitze über das Wahlkonzept zu beraten. Wie Nachwuchschef Köbler wird auch Stefanie Henneke das erste Mal bei einem solchen Treffen dabei sein. Die 29-Jährige wurde vor wenigen Tagen zur Grünen-Chefin in Niedersachsen gekürt.

Henneke ergänzt die Riege junger grüner Landeschefs, die stetig wächst und die These von der "Ein-Generationen-Partei" widerlegt. Bei aller Vorsicht beim Thema Alter, meint Henneke, dass dieses gerade bei einer Jungwählerkampagne eine Rolle spielt. "Niemand kann mir erzählen, dass ein 18-Jähriger sich von 60-Jährigen vertreten fühlt."

Das könnte von der Mehrheit der KandidatInnen zur Bundestagswahl als Kränkung empfunden werden. Doch noch beschränkt sich die Verjüngung der Partei eher auf die wenig einflussreichen Landesvorstände. Bei den Listen für die Bundestagswahl hat sich das Partei-Establishment durchgesetzt.

Im Wahlkampf hat es einen unstrittigen Vorteil, sich auf die Jungen zu konzentrieren: Man muss sie niemandem abjagen.

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