Kommentar Verbraucherdatenschutz: Der andere Kontoauszug

Der Aufklärungseffekt des Informationsfreiheitsgesetzes tendiert gegen null. Die Mechanismen des Datenschutzes gehören umgekehrt. Wer Daten sammelt, muss offenlegen, welche er hat.

In der Theorie haben die BürgerInnen Deutschlands einige Möglichkeiten, an Informationen von Behörden und Firmen zu kommen. Da gibt es zum Beispiel das Informationsfreiheitsgesetz. Es garantiert jedem das Recht, in Akten von Bundesbehörden schauen zu dürfen. Klingt toll, doch in der Praxis kämpft der Neugierige meist monatelang mit so verschlossenen wie unwilligen Bürokraten, bevor er wenige und häufig nichts sagende Papiere in einem Amtszimmer einsehen darf. Der aufklärerische Effekt des gut gemeinten Gesetzes tendiert gegen null. Schon allein deshalb, weil die überwältigende Mehrheit für solch komplizierte Recherchen im Alltag keine Zeit hat.

Genau hier setzt die Idee des Chaos Computer Clubs an. Er will Firmen und Behörden zu einem Datenschutzkontoauszug verpflichten, der den BürgerInnen über sie gespeicherte Informationen auflistet. Eine einfache Neuerung, die aber Mechanismen des Datenschutzes grundsätzlich umkehren würde: Nicht mehr der Einzelne trägt die Bürde herauszufinden, welche Daten über ihn wo und für welchen Zweck gespeichert sind. Vielmehr müssten diejenigen Transparenz herstellen, die von der Datensammelei profitieren. Eine solche Verlagerung der Bringschuld wäre nur folgerichtig. Im Moment erfährt kein Kaufhauskunde, wie die Vorlieben, Abneigungen und Verhaltensweisen ausgewertet und weitergehandelt werden, die er durch eine Rabattkarte an der Kasse hinterlässt - er wird schlicht zum Objekt degradiert.

Durch eine regelmäßige Informationspflicht der Firmen würde er hingegen zum handlungsfähigen Subjekt. Denn schon das Wissen darüber, wie umfassend Firmen Persönliches speichern, eröffnet Optionen: Ich kann wütend protestieren, ich kann in Zukunft Auskunft verweigern, ich kann Datensammlungen aber auch bewusst akzeptieren, als Folgen des bequemen, modernen Lebens. Der Vorschlag ermöglicht also mehr Selbstbestimmung bei einem Thema, das die wenigsten bislang durchschauen. Daher sollte auch ein bürokratischer Mehraufwand nicht verschrecken - dient er der Transparenz, ist er es wert.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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