Präsidentenwahlkampf: Glaube, Liebe, Hoffnung

In der dritten Abschiedsvorlesung erklärt Gesine Schwan, dass demokratische Institutionen und NGOs zusammenarbeiten müssen, weil sie sich ergänzen.

Kluge Frau - zukünftige Präsidentin? Bild: AP

Gesine Schwans Abschiedsvorlesungen, die sie als Präsidentin der Europa-Universität Viadrina (EUV) in Frankfurt an der Oder hält, werden zum Publikumsmagnet. Es hat sich herumgesprochen, auch unter jungen Leuten, dass Schwan mit Emphase, mit Klugheit und mit Optimismus für Demokratie streitet.

Ja, gar Hoffnung versprüht die Noch-Unipräsidentin und Schon-Bundespräsidentenkandidatin, dass die Demokratie nicht untergeht. Obwohl - laut neuen Befragungen - einem Viertel der Deutschen diese Staatsform keinen Cent mehr wert ist. Damit aber versprechen sich die Demokratiemüden wohl auch nichts mehr von Freiheit, Gleichheit, Solidarität, Partizipation. Und sie ignorieren den Konsens, der die demokratische Politik zusammenhält und den Schwan so definiert: dass man strittige Fragen, die alle betreffen, gemeinsam debattiert und eine Antwort findet, die alle tangiert, die aber die Würde derjenigen nicht beschädigt, die die Fragen anders beantwortet hätten.

Vor 300 Fans steht die 65-Jährige mit ihren blonden hochgesteckten Locken und erklärt ihrem Publikum, wie die Zukunft demokratischer Politik auch in einem globalen Kontext gut funktionieren kann. Dies, obwohl doch die Institutionen, die die demokratische Politik legitimieren, bisher - mit Ausnahme der EU - nur auf nationalstaatlicher Ebene existieren. Die Vertrauenskrise in die Demokratie indes hat viel damit zu tun, dass die Politik auf nationaler Ebene die internationalen Prozesse in Politik und Wirtschaft nicht mehr steuern kann.

In der neuen Lektion geht Schwan auf die Akteure und Zusammenschlüsse ein, die derzeit globale Politik machen, und findet viele. Neben den Nationalstaaten, der EU und den internationalen Organisationen wie UN, Welthandelsorganisation, internationale Gerichtshöfe, steuern Wirtschaftsunternehmen und multinationale Konzerne die globalen Prozesse. Hinzu kommen aber auch Nichtregierungsorganisationen, NGOs, die regulierende Maßstäbe im internationalen Kontext setzen. Greenpeace, amnesty international, Transparency International zählt Schwan als Beispiele auf.

Als "magisches Dreieck" fasst sie die Akteure in den Bereichen der traditionellen Politik, im Privatsektor und in den gemeinwohlorientierten NGOs zusammen. Und dann verknüpft sie diese drei. Die Institutionen traditioneller Politik seien zwar demokratisch legitimiert, "ihre Inputlegitmation ist also vorhanden", meint Schwan, aber ihr Output kommt nicht mehr gut an. Umgekehrt haben NGOs zwar keine Inputlegitimation, aber von dem, was sie tun, erfahren sie große Zustimmung. Sie benennen das, was aus Sicht vieler BürgerInnen von der Politik nicht genügend gefördert wird: Schutz der Umwelt etwa, Erhaltung der Lebensqualität, Bewahrung von Freiheit, Gleichheit, Transparenz. Deshalb fordert Schwan, dass sich die traditionelle Politik mit den NGOs zusammentut. Die einen bringen Inputlegitimation, die anderen Outputlegitimation mit.

Die NGOs nehmen die Themen auf, die man in einer demokratischen Kultur hoch schätzt. Eine große Öffentlichkeit unterstützt sie dabei, meint Schwan. Aufgrund der Zustimmung wiederum können sich aber auch die Unternehmen den Forderungen der NGOs nicht entziehen. Sozialstandards, Umweltstandards fänden in internationalen Konzernen durchaus Gehör. Selbst die kurzfristige Gewinnmaximierung nämlich brächte nichts, meint Schwan, wenn sich die Unternehmen damit den Ast absägen, auf dem sie sitzen: etwa durch Umweltzerstörung oder durch immer stärkere Forderungen nach Steuerentlastungen, mit denen die Daseinsfürsorge, aber etwa auch Bildung, bestritten wird. Unternehmen brauchen Konsumenten und einen guten Ruf. Die Menschen müssen ihn einfordern.

Wie eine Hohepriesterin steht Schwan an ihrem Pult und redet sich heiß. Sie glaubt daran, dass sich die Menschen, wenn sie all das verstanden haben, auch zukünftig mit Leidenschaft und mit "Liebe zur Gleichheit" für die Demokratie begeistern werden.

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