Portugals Nationalelf: Ironie des Fußballs

Ausgerechnet die Portugiesen, Protagonisten des feingeistigen Angriffsfußballs, stellen mit Pepe und Carvalho das wohl beste Innenverteidigerpärchen des EM-Turniers.

Traumduo der Verteidigung: Ricardo Carvalho (l.) und Pepe. Bild: dpa

BASEL taz In der Sonntagnacht, im funzeligen Neonlicht der Stadionkatakomben, spürte Ricardo Carvalho einmal, wie das ist. Diese Frustration, einfach nicht durchzukommen, verschafft er den gegnerischen Stürmern in fast jedem Fußballspiel. Nun kamen seine Frau und Tochter in Basel an einem Verteidiger von Recht und Ordnung nicht vorbei. "Aber sie ist doch Carvalhos Frau!", erklärte, schon recht fassungslos, ein Funktionär der portugiesischen Nationalelf einem Stadionordner. Vergeblich. "Sie hat keine Akkreditierung", sagte der Ordner lakonisch.

So musste Carvalho nach der unerheblichen 0:2-Niederlage der bereits als Vorrundensieger feststehenden Portugiesen gegen die Schweiz hinaus in den Eingangsbereich, um seine Familie zu sehen. Was wäre wohl passiert, wenn statt Carvalho Cristiano Ronaldo diese Situation erlebt hätte? Doch dies war Portugals anderer absoluter Weltklassefußballer, der da raus zu den Fans gedrängt wurde. Und nichts passierte. Weder beschwerte er sich noch belagerten ihn Zuschauer.

Auch im totalen Popstarzeitalter gibt es noch herausragende Fußballspieler, die einfach nur das sind: erstklassige Fußballspieler. Ricardo Carvalho, 30, vom FC Chelsea, sorgte schon dafür, dass Portugal verzückte, als Ronaldo noch ein verspielter Ersatzmann war. Und heute, Ironie des Fußballs, hat Portugal, das Team des freigeistigen Angriffsfußballs, mit Carvalho und Pepe die wohl beste Innenverteidigung des Turniers. Spaniens Stürmer Fernando Torres vom FC Liverpool hat Carvalho in der englischen Liga von nahem kennengelernt. Er sagt: "In England hast du all diese riesigen Kerle in der Verteidigung, die glauben, sie müssten bloß aggressiv sein wie Chelseas Kapitän John Terry. Aber Chelseas Abwehrchef ist Carvalho. Keiner hat seinen Sinn für die richtige Position."

Das Zusammenspiel von Stürmern wird permanent analysiert, wie setzt der eine den anderen in Szene, wie schafft der andere Raum für den einen; daneben fasziniert die Synchronarbeit von Verteidigern kaum. Gerade gegen Teams, die sich heute sehr oft nur mit einem zentralen Stürmer hervorwagen, kann eine Innenverteidigung mit synchronisiertem Positionsspiel den Angreifer zwischen ihnen verschwinden lassen. Carvalho und Pepe von Real Madrid sind dabei außergewöhnlich aufmerksam. Sie haben beide, Carvalho noch mehr, Verteidigers größtes Talent im Überfluss: Mit einem einzigen schnellen Fußtritt trennen sie den Ball vom Stürmerfuß.

Fernando Meira vom VfB Stuttgart, der im Verein leidet und klagt, wenn er im defensiven Mittelfeld spielen muss, sagt in der Nationalelf: "Ich bin ein Spieler, der alles für das Team macht, ich fühle mich gut im Mittelfeld." Die Klasse der zwei, die ihm seinen Lieblingsplatz in der Verteidigung verwehren, verbietet es ihm zu murren. Als defensiver Sonderdienst, der bei einer Führung tief ins Mittelfeld eingewechselt wird, hat er eine Rolle gefunden.

Wie im Verein Terry ist der eingebürgerte Brasilianer Pepe bei der EM der Riese an Carvalhos Seite, der die Aufmerksamkeit bekommt. Wie so oft bei solch einem Turnier reichte eine Szene, um einen falschen Eindruck zu wecken, der sich dann verselbständigte: Pepes kunstvoll herausgespieltes 1:0 gegen die Türkei ließ glauben, er sei ein stürmender Verteidiger wie Bayern Münchens Lucio. Doch es war Pepes erstes Tor in über einem Jahr. Er geht selten mehr als einmal pro Spiel zum Angriff über. Doch nun muss er nach jedem Spiel denselben Witz hören: Pepe, es wird eng mit der Torschützenkrone. Und Pepe lacht und sagt: "Ja, heute habe ich mal nur verteidigt."

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