Tischtennis: Ma und Ma

Ma Lin aus der chinesischen Nationalmannschaft ist Spitze, aber Ma Long übertrumpft ihn derzeit noch. Doch darf der 19-Jährige auch zu Olympia?

"Taktisch und spielerisch clever": Ma Long bei den German Open in Bremen. Bild: dpa

BREMEN taz Irgendwann fiel selbst den nachbohrenden deutschen Journalisten keine Frage mehr ein. Ma Lin hob die Hand zum Abschied. Sein müdes Gesicht zeigte Erleichterung. Endlich war diese Pressekonferenz vorbei. Ma Lin hatte sie überstanden. Müder war er. Neben ihm saß Ma Long, der zwar auch bekundete, erschöpft zu sein, dabei aber viel munterer in die Runde blickte. Seit Wochen ist die chinesische Tischtennis-Nationalmannschaft auf Europatournee, jedes Wochenende ein Turnier in einem anderen Land. Ein Spiel jagt das andere, weil die Mitglieder der chinesischen Nationalmannschaft stets im Einzel und im Doppel weit kommen und dann die härtesten Spiele anstehen - die um den Titel gegen ihre Landsleute.

Ma Long hatte sich eine Erklärung zurechtgelegt, warum diese German Open in Bremen zu seinem Turnier geworden waren: "Ich bin jünger als Ma Lin und kann mich schneller regenerieren." Man hätte das leicht als Frechheit verstehen können. Schließlich ist sein Finalgegner erst 27 Jahre alt. Aber es war gar nicht so gemeint, sondern als schlichte Tatsachenbeschreibung. Ma Lin ist für die Verhältnisse seiner Nationalmannschaft ein alter Tischtennisspieler - auch wenn er immer noch zur absoluten Weltspitze gehört. Chinesische Spieler erreichen viel früher als ihre europäischen Konkurrenten höchstes Niveau, weil die völlige Fokussierung auf den Sport früher einsetzt. Schule ist schon bei Kindern nur noch eine Nebensächlichkeit, wenn sie richtig gut Tischtennis spielen können. Ihr Bildungsdefizit holen viele Spieler dann nach, wenn ihre Karriere vom Verband beendet worden ist. Doch darüber muss sich Emporkömmling Ma Long derzeit keine Gedanken machen.

Im Halbfinale der German Open hatte der 19-Jährige dem Deutschen Timo Boll die zweite 4:0-Abreibung binnen einer Woche verpasst. Harte Partien hatte er davor und danach zu bestreiten, gegen Wang Hao und gegen Ma Lin. Ma Long gewann sie alle. Binnen zwei Tagen hatte er die Nummern eins, zwei und vier der Weltrangliste besiegt. Er selbst ist noch Siebter. Dabei wird es nicht bleiben.

Fast schon ehrfürchtig spricht Boll über Ma Long. "Er spielt für sein Alter taktisch und spielerisch sehr clever. Und seine Vorhand ist extrem stark", findet Boll. Der Chinese spielt die Bälle oft mit extremem Seitendrall und platziert sie so in unmöglich scheinende Winkel der gegnerischen Seite. "Dadurch muss man einen Schritt mehr laufen als sonst", berichtet Boll. Oft aber konnte er sich den Extraschritt sparen, weil der Ball ohnehin schon vorbeigezischt war.

Überraschend war Ma Longs Auftritt in Bremen nicht. Bei der WM im Mai war er zwar noch der große Verlierer, weil er als einziger Chinese in Einzel wie Doppel gegen Nichtchinesen ausschied. Danach aber übertraf er in der chinesischen Superliga mit einer Bilanz von 26:5 Spielen alle Erwartungen. Intern gilt er als Nummer zwei hinter Wang Hao, der die Weltrangliste derzeit anführt. Damit ist aber noch lang nicht gesagt, dass er auch die Chance bekommt, sich im kommenden Jahr bei Olympia im Heimatland zu beweisen.

Pro Nation dürfen maximal drei Spieler starten. Die ersten drei der Weltrangliste sind Chinesen, neben Wang Hao und Ma Lin auch Wang Liqin, der sich dieses Jahr seinen dritten Weltmeistertitel im Einzel sicherte. Alle drei sind deutlich erfahrener als Ma Long. Und die Erwartungshaltung in Peking wird gigantisch sein. Die Mannschaftstitel in der Nationalsportart gelten für Männer und Frauen als gesetzt. Und man möchte nicht in der Haut eines chinesischen Spielers stecken, der im Einzel ohne Medaille bleibt - angesichts all der Klassespieler, die nicht mitspielen durften.

Außerdem hat Ma Long noch relative Schwächen im Doppel. "Da bin ich viel schlechter und habe einen großen Rückstand", findet er selbst. Auf seine Chancen für Peking angesprochen, gibt er sich demütig. "Es ist das Ziel eines jeden, bei Olympia mitzuspielen. Aber erst einmal muss ich mein Leistungsvermögen steigern und Erfahrung sammeln. Ich spiele weniger gut als die anderen." Das aber ist derzeit gelogen. SEBASTIAN KRASS

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