Prinzipien der Scharia in der Verfassung verankert

ÄGYPTEN Neue Verfassung mit Mehrheit der Muslimbrüder im Eilverfahren abgestimmt

KAIRO afp/dapd/taz | Ägyptens Präsident Mohammed Mursi hat im Vorfeld der Abstimmung über eine neue Verfassung seine umstrittenen Vollmachten verteidigt und deren temporären Charakter herausgestellt. „Wenn wir eine Verfassung haben, wird alles enden, was ich vergangene Woche gesagt und getan habe“, sagte Mursi dem US-Wochenmagazin Time. Die zuständige Versammlung begann am Donnerstag mit der Abstimmung über die neue Verfassung.

Die Modalitäten der Abstimmung über die neue Verfassung sahen vor, dass das Gremium über jeden einzelnen der 234 Artikel abstimmt. Über diejenigen Passagen, die nicht mit einer Mehrheit von mindestens 67 Prozent der Stimmen angenommen werden, soll am Freitag in einer zweiten Runde abgestimmt werden. Dann reicht eine Mehrheit von 57 Prozent der Stimmen. Werden die Artikel dann noch immer abgelehnt, sollen sie aus der Verfassung gestrichen werden.

Die Verfassungsversammlung nahm bereits Artikel 2 des Entwurfs an. Dieser besagt, dass die „Prinzipien der Scharia“ die „wichtigste Quelle der Gesetzgebung“ seien. Der Passus stammt noch aus der früheren Verfassung unter Staatschef Husni Mubarak. Die Opposition kritisiert neben der oft vagen und teils unklaren Sprache des Textes die zu große Machtfülle des Präsidenten und die zahlreichen Verweise auf das islamische Recht der Scharia. Die meisten liberalen und christlichen Mitglieder haben die Verfassunggebende Versammlung deshalb längst verlassen. Über den Entwurf muss dann noch in einer Volksabstimmung entschieden werden.

Gegen Mursi waren in den vergangenen Tagen Zehntausende Menschen auf die Straßen gegangen, um gegen das umstrittene Dekret zu protestieren, das Mursi praktisch uneingeschränkte Vollmachten einräumt. Die Proteste wertete Mursi als Zeichen einer demokratischen Entwicklung. Trotz aller Probleme seien die Ägypter entschlossen, weiter auf dem Weg von Freiheit und Demokratie voranzuschreiten.

Für Freitag haben Gegner des Präsidenten erneut zu Massenprotesten gegen den Staatschef auf dem Tahrirplatz in Kairo aufgerufen. Die Islamisten setzten ihrerseits für Samstag Kundgebungen zur Unterstützung von Mohammed Mursi an.