Breivik-Fan David S. war ein Rechtsterrorist

Politiker fordern eine Neubewertung des „Amoklaufs“ von München als rechtes Attentat. Drei von der Stadt beauftragte Gutachter stufen die Tat jetzt als politisch motiviert ein

Trauernde vor dem Olympia-Einkaufscenter in München-Moosach im Juli 2016 Foto: Sebastian Widmann/action press

Von Konrad Litschko

Mehrere Politiker fordern jetzt eine Neubewertung des „Amoklaufs“ von München. „Die Staatsregierung in Bayern muss das Attentat jetzt als politisch rechts motiviert anerkennen und ihre bisherige Auffassung revidieren“, fordert die Linken-Innenexpertin Martina Renner und ihre Parteikollegin, die Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau. Die bayrische Grünen-Frak­tions­chefin Katharina Schulze nennt das „unausweichlich“.

Am Freitag werden drei Gutachten vorgestellt, welche die Stadt München in Auftrag gegeben hat. Wie vorab publik wurde, stufen der bayrische Politologe Florian Hartlebe, der Thüringer Soziologe Matthias Quendt und der Berliner Politikprofessor Christoph Kopke die Tat darin als politisch motiviert ein.

Der 18-jährige Deutschiraner David S. hatte am 22. Juli 2016 in München neun Menschen erschossen, am Ende sich selbst. Alle Opfer waren Migranten. Für die Polizei und Bayerns Landesregierung handelte David S. aus Rache für ein zu Schulzeiten erlittenes Mobbing. Dadurch habe er einen Hass auf Türken und Albaner entwickelt. Eine „Verinnerlichung“ einer extremistischen Ideologie habe „bis zum Zeitpunkt seines Todes nicht stattgefunden“, behauptet der bayerische Verfassungsschutz.

Dem widersprechen die drei Gutachter: Die Tat sei politisch motiviert. Die Experten verweisen auf rechtsextreme Äußerungen des 18-Jährigen. Auch habe sich dieser nicht direkt an seinen Mobbern oder seiner Schule gerächt, sondern unabhängig davon Migranten ermordet. Die Experten widersprechen auch dem Einwand der Ermittler, David S. sei ja nicht in rechtsextreme Organisationen eingebunden gewesen: Dies sei für eine extremistische Radikalisierung gar nicht nötig. Vielmehr erfülle die Tat alle Kriterien der polizeilichen Definition für rechte Straftaten. Der Politologe Hartleb spricht auch von Rechtsterrorismus, im Sinne eines „Einsamer Wolf“-Konzepts.

Schon früh gab es Zweifel an der reinen Mobbingthese der Ermittler. David S. sagte vor seiner Tat, er sei als Deutschiraner stolz, „Arier“ zu sein. Zeugen erinnerten sich an seine Flüche über „Kanacken“. In einer Psychotherapie fiel er mit „Sieg Heil“-Rufen auf. In einem selbstverfassten „Manifest“ beschrieb er Migranten als „Virus“ und „ausländische Untermenschen“, die er exekutieren werde. Und er verehrte den norwegischen Rechtsterroristen Anders Breivik, der 2011 77 Menschen erschoss. Seine Tat verübte David S. auf den Tag genau fünf Jahre nach dessen Attentat.

„Ich habe von Anfang an nicht verstanden, warum ein rassistisches Motiv so schnell ausgeschlossen wurde“, sagt die Linken-Politikerin Petra Pau. „Es gehörte zu den Empfehlungen des ersten NSU-Untersuchungsausschusses, dass jede solche Straftat auf ein rassistisches Motiv hin untersucht werden muss. Ich freue mich, dass das jetzt nachträglich geschehen ist, und hoffe, dass es Konsequenzen gibt.“

Bayerns Behörden und Regierung halten an ihrer „Mobbingopfer“-Theorie fest

Für die bayerische Grünen-Politikerin Katharina Schulze fügt „die beharrliche Weigerung des CSU-Innenministeriums, diese grausame, fremdenfeindliche Tat auch als rassistischen Terror einzustufen, den Angehörigen der Opfer eine zweite, tiefe Wunde zu“. Eine korrekte Einordnung der Tat sei wichtig, um richtige Präventionsstrategien zu entwickeln.

Auch Yavuz Narin, Anwalt mehrerer Opferfamilien des Attentats, bezeichnete eine Neubewertung der Tat als „überfällig“. Viele Polizisten hätten in dem Fall durchaus engagiert ermittelt, so Narin. „Nur in der Bewertung fehlt der letzte Schritt.“

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hatte zuletzt angedeutet, dass er ein politisches Motiv bei dem Amoklauf für möglich hält. Die Bundesregierung drückt sich um eine Bewertung herum. Die Einordnung des Falls sei allein Sache der zuständigen Polizeidienststelle, antwortete das Innenministerium zuletzt auf eine Linken-Anfrage.