Das gespaltene Land

Eine Stichwahl ohne Gegenkandidaten ist für Hamid Karsai ein Glaubwürdigkeitsproblem

KABUL taz | Mit dem Rückzug Abdullahs aus dem Präsidentschaftsrennen scheint der Weg für Amtsinhaber Hamid Karsai zu einer weiteren Amtszeit gesichert. Allerdings: „Wenn die Wahlbeteiligung unter 20 Prozent liegt, wird er in den Augen der Bevölkerung ein Glaubwürdigkeitsproblem haben“, sagt der Analyst Haroun Mir vom Afghanistan Centre for Research and Policy Studies.

Das Abdullah-Lager hat in der Vergangenheit mehrfach gewarnt, dass sie die Autorität nicht anerkennen würden, wenn er nicht durch eine legitime Wahl bestätigt werde. Es gibt Befürchtungen, dass dies zu einer weiteren Spaltung des Landes in einen Abdullah nahe stehenden Norden und einen Karsai unterstützenden Süden führen könnte.

Schon im ersten Wahlgang gaben nach offiziellen Angaben nur 38,7 Prozent der Wähler ihre Stimme ab. Inoffizielle Schätzungen gehen von deutlich unter 30 Prozent aus.

Äußerungen von Vertretern der US-Regierung, wonach ein Sieg Karsais zu erwarten sei, waren am Hindukusch mit Befremden aufgenommen worden. Auch die Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen hat gelitten, nachdem der bis dahin stellvertretende Leiter der Afghanistan-Mission, Peter Galbraith, seinem Chef, dem Norweger Kai Eide, öffentlich vorgeworfen hatte, Indizien für Wahlbetrug zurückgehalten zu haben. Selbst die von einem Kanadier geleitete Wahlbeschwerdekommission gilt vielen als parteiisch, seit einer der zwei afghanischen Kommissare unter Verweis auf „internationale Einflussnahme“ zurückgetreten war.

Die Regierung hat bislang wenig Bereitschaft erkennen lassen, die Bedingungen für eine sauberere Stichwahl zu schaffen. Zwar wurden 200 Mitarbeiter der Wahlkommission auf Distrikt- und Provinzebene ausgetauscht. „Aber die Untersuchungen der Beschwerdekommission haben gezeigt, dass die oberste Ebene an den Manipulationen beteiligt war“, sagte der Direktor der Stiftung für Freie und Faire Wahlen in Afghanistan, Jandad Spinghar. Eine zu niedrige Wahlbeteiligung könnte Karsai am Ende dennoch in eine Koalitionsregierung mit seinem Herausforderer Abdullah zwingen. „Abdullah könnte Karsai sonst viele Schwierigkeiten bereiten“, sagte Haroun Mir. SIMONE WAGNER