Kolumne Habibitus: Kartoffelgerichte

Die deutsche Küche und ich sind keine Freund_innen. Bei durchsichtigem Glibber auf Fleisch mit Gemüse ist das auch wirklich schwierig.

Irgendwas in Aspik

Lecker, Aspik Foto: imago/Westend61

Die ersten Enttäuschungen über die deutsche Essenskultur traten bei mir früh ein. Als ich fünf war, gab es im Kindergarten ein trostloses Ensemble zum Mittagessen: Ein durchsichtiger Glibber lag wie ein Gummifilm auf dem braunen Fleisch neben dem Gemüse. Viele der Gerichte iranifizierte ich zu Hause, wenn meine Mutter mich fragte, was es zum Mittagessen gab.

Hühnerfrikassee mit Reis hieß bei mir Morgh-o Polo und Spinatgerichte labelte ich als Ghorme Sabzi (zugegebenermaßen ein ganz schöner Euphemismus). Anstatt eines Danks für diese Transferleistung erhielt ich von meiner Mutter einen Nackenklatscher, weil sie mir oft gesagt hatte, ich solle nicht lügen. Sie wusste genau, dass in der deutschen Küche für diese Art des Gaumenschmauses kein Platz vorhanden war.

In meiner Fantasie hingegen schon. Doch selbst war nicht in der Lage, Worte für dieses unappetitliche Gericht vor mir zu finden. (Heute weiß ich: Es heißt Aspik.) „Was ist das?“, fragte ich in bemüht gefasstem Ton meine Erzieherin. „Iss, dann wirst du schon sehen“, brummte sie. Ich überwand mich dazu, einen Löffel zu essen. Dann ging plötzlich alles ganz schnell, und ehe ich mich versah, übergab ich mich direkt auf meinen Teller. „Ich musste kotzen“, teilte ich meiner Erzieherin mit, die mich wütend anblinzelte.

Einige Jahre später verwechselte ich auf einer Klassenfahrt beim Abendbrot optisch Sauerkraut mit angebratenen Zwiebeln. Die glasig-glänzenden Fäden hielt ich für mein Lieblingsgemüse und haute mir glückselig eine Portion auf den Teller. Der erste Bissen war ein Schock. Kochen Almans so schlecht, dass sich der Geschmack von köstlichen, süßlich-scharfen Zwiebeln um 180 Grad zu dieser säuerlichen Katastrophe wenden kann? „Die Zwiebeln schmecken echt komisch“, bemerkte ich am Tisch und eine Mitschülerin lachte mich aus. „Das ist Sauerkraut!“

Das ist also dieses Deutschland, in dem das Essen entweder nach nichts oder nach zu viel Knoblauch schmeckt, weil die Köch_innen unbedingt beweisen wollen, dass sie ein krasses Gewürz-Game haben. Was sie jedoch meistern: Kartoffelgerichte aller Art. (No pun intended.)

Angesichts der hohen Chance, ein verkacktes Essen serviert zu bekommen, bin ich im Nachhinein nicht mehr so traurig darüber, dass ich oft im Zimmer meiner Gastgeberinnen aus der Schule bleiben musste, während diese mit ihren Familien aßen. Meine Verwandten konnten diese deutschen Bräuche kaum fassen, aber ich nahm es mit Gelassenheit. Meistens gab es ohnehin Schweinefleisch, das wäre einfach nur ein awkward Tischgespräch gewesen.

Umso überraschender finde ich es, wenn Almans staunend und doch so in Flammen von der kanakischen Gastfreundschaft schwärmen, wenn sie aus ihrem Nahost-Urlaub zurückkehren. Ich kann da meistens nur mit den Augen rollen und denken: Du Haywan, wenn du Gastfreundlichkeit so geil findest, warum probierst du das Konzept nicht mal selber aus?

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Hengameh Yaghoobifarah studierte Medienkulturwissenschaft und Skandinavistik an der Uni Freiburg und in Linköping. Heute arbeitet Yaghoobifarah als Autor_in, Redakteur_in und Referent_in zu Queerness, Feminismus, Antirassismus, Popkultur und Medienästhetik.

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