Irland erlaubt Abtreibungen: Yes! Yes! Yes!

Das offizielle Ergebnis des Volksentscheids steht noch aus, dennoch ist klar: Eine deutliche Mehrheit will Schwangerschaftsabbrüche legalisieren.

Ein Mann geht an einem Wandgemälde und der Aufschrift "Yes" entlang

In Dublin stimmten 77 Prozent mit Ja. Das Foto zeigt die indische Zahnärztin Savita Halappanavar, die 2012 in Galway an einer Blutvergiftung starb, weil sich die Ärzte mit Hinweis auf die Verfassung weigerten, den nicht lebensfähigen Fötus zu entfernen Foto: AP

DUBLIN taz | Am Ende war es viel deutlicher als erwartet. Rund 68 Prozent der 3,3 Millionen wahlberechtigten Irinnen und Iren stimmten am Freitag in einem Voklksentscheid dafür, den 8. Zusatzparagrafen aus der Verfassung zu streichen, nur 32 Prozent waren dagegen. Dieser Paragraf, der 1983 ebenfalls per Referendum in die Verfassung aufgenommen worden war, räumte dem Fötus dasselbe Lebensrecht wie der Schwangeren ein und machte Abtreibungen praktisch unmöglich.

Das hat in der Vergangenheit zu unzähligen Tragödien geführt. Frauen starben, weil sich die Ärzte mit Hinweis auf die Verfassung weigerten, nicht lebensfähige Föten aus der Gebärmutter zu entfernen. Frauen und Ärzte, die gegen den Paragrafen verstießen, riskierten Gefängnisstrafen von 14 Jahren.

Das Referendum vom Freitag hat die Spaltung des Landes bestätigt, die bereits bei den Volksentscheiden über Scheidung und gleichgeschlechtliche Ehe deutlich geworden ist: Jung gegen Alt, Stadt gegen Land. Bei den 18- bis 24-Jährigen lag die Mehrheit bei 87 zu 13 Prozent, von den über 65-Jährigen wollten hingegen 60 Prozent am Abtreibungsverbot festhalten.

In Dublin stimmten 77 Prozent mit Ja, im traditionell konservativen Nordwesten der Insel gab es mit 59 Prozent aber immer noch eine unerwartet klare Mehrheit für die Abschaffung des Paragrafen. Umfragen vor dem Referendum hatten auf ein viel knapperes Ergebnis hingedeutet. Landesweit stimmten 70 Prozent der Frauen und 65 Prozent der Männer mit Ja.

Die Zahlen beruhen auf einer Nachwahlbefragung von 4.500 Menschen im Auftrag der Irish Times. Das amtliche Ergebnis wird zwar erst am Samstagnachmittag erwartet, aber die Fehlerspanne der Befragung liegt lediglich bei 1,5 Prozent. Offizielle Angaben über die Wahlbeteiligung liegen ebenfalls noch nicht vor, aber sie war offenbar höher als bei allen Referenda in der Vergangenheit.

Aggressive Kampagne

Das lag daran, dass der Kampf um die Stimmen äußerst erbittert geführt wurde. Vor allem die Nein-Seite griff zu drastischen Methoden und platzierte Bilder von abgetriebenen Föten vor Entbindungskrankenhäusern und Schulen. Auf dem Land organisierten die Abtreibungsgegner Busse, um ältere Menschen zu den Wahlurnen zu fahren.

Die aggressive Kampagne löste eine Gegenreaktion aus. Tausende im Ausland lebende Irinnen und Iren flogen in die Heimat, um für die Streichung des Paragrafen stimmen zu können. Eine Briefwahl gibt es in Irland nämlich nicht. Und auch die jungen Leute, denen bei Wahlen oft Apathie vorgeworfen wurde, strömten massenhaft in die Wahllokale.

Damit ist der Weg frei für eine gesetzliche Regelung. Die Regierung hat ihre Pläne lange vor dem Referendum offengelegt. So sollen Abtreibungen bis zur 12. Schwangerschaftswoche auf Verlangen erlaubt werden. Bei Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Schwangeren sowie bei fötalen Missbildungen kann die Schwangerschaft auch später abgebrochen werden, wenn die Ärzte zustimmen.

Gesetz soll Spätestens zum Jahresende kommen

Premierminister Leo Varadkar sagte: „Irland ist immer noch dasselbe Land, das es vor dem Referendum war. Es ist lediglich ein wenig barmherziger.“ Der 39-Jährige mit indischen Wurzeln ist seit einem Jahr im Amt. Er ist der jüngste irische Premierminister seit der Staatsgründung 1922 und der erst vierte offen homosexuelle Regierungschef der Welt.

Gesundheitsminister Simon Harris wird die entsprechende Gesetzesvorlage nach der Sommerpause ins Parlament einbringen. Spätestens zum Jahresende soll das Gesetz in Kraft treten, dafür gibt es in beiden Kammern des Parlaments eine Mehrheit. Bis dahin aber werden weiterhin täglich rund zehn Frauen zu Abtreibungen nach England reisen.

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