Politiker über rechte Struktur in Sachsen: „Ein Spiegelbild der Gesellschaft“

Auch bei Polizei und Justiz in Sachsen gebe es leider viel zu viele Anhänger von AfD und Pegida, sagt der Linkenpolitiker André Hahn. Die Politik sei gefragt.

Das sächsische Wappen an der Uniform einer Polizistin

Wie viel Pegida und AfD verbrigt sich hinter diesem Wappen? Foto: dpa

taz: Herr Hahn, der Mann, der die Behinderung eines ZDF-Teams durch Polizeibeamte am Rande einer rechtspopulistischen Demo in Dresden ausgelöst hat, ist Mitarbeiter des sächsischen LKA. Wie beurteilen Sie diese Wendung?

André Hahn: Zunächst will ich mehr wissen über die Tätigkeit dieses Mitarbeiters im Landeskriminalamt. Es wäre ein ungeheuerlicher Vorgang, wenn ein LKA-Mann womöglich noch unter Verweis auf seine Dienststelle dafür gesorgt hat, dass die Arbeit von Journalisten bei einer Pegida-Demo behindert worden ist. Das wäre ein dramatischer Eingriff von Mitarbeitern des Regierungsapparats in die Pressefreiheit, der nicht hinzunehmen ist.

Welche Konsequenzen muss das haben?

Der Vorfall muss vollständig aufgeklärt werden, und der Ministerpräsident, der die Polizei ohne genaue Kenntnis pauschal verteidigt hat, muss seine Bewertung korrigieren und sich entschuldigen. Wieder einmal stellt sich die Frage: Wie steht es um die sächsische Polizei? Es ist ja kein Zufall, dass das wieder in Sachsen passiert ist. Es wäre falsch, wenn man die ganze sächsische Polizei in die rechte Ecke stellen würde, aber Polizei und Justiz sind ein Spiegelbild der Gesellschaft, und deshalb gibt es leider auch dort viel zu viele Anhänger von AfD und Pegida. Es gibt bei der sächsischen Polizei Unzufriedenheit mit den Regierenden. Stellen wurden abgebaut, die Belastungen immer größer, das Weihnachtsgeld gekürzt, die Nachwuchsausbildung vernachlässigt. Die AfD ist allerdings die falsche Adresse für berechtigten Protest.

55, ist Innenpolitiker der Linken im Bundestag. Zuvor war er Linken-Fraktionschef und somit Oppositionsführer im sächsischen Landtag und Stadtrat in Heidenau.

Immer wieder wird kritisiert, die sächsische Polizei messe mit zweierlei Maß: hart gegen Linke und Geflüchtete, lasch gegen Pegida und Co. Woher kommt das?

Das liegt auch an den Vorgaben der Politik, die in Sachsen seit 28 Jahren von der CDU kommen. Der erste Ministerpräsident Kurt Biedenkopf hat behauptet, die Sachsen seien immun gegen Rechtsextremismus. Das war eine fatale Fehleinschätzung! Aber wenn man denkt, man sei immun, dann unternimmt man eben auch nichts dagegen.

Was folgt daraus?

Da werden zivilgesellschaftliche Initiativen nicht nur zu wenig unterstützt, sondern zum Teil auch kriminalisiert. Ich selbst wurde als Landtags-Fraktionschef der Linken 2012 vor Gericht gestellt, weil wir uns einem großen Nazi­aufmarsch friedlich entgegengestellt haben. Der Eindruck, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird, betrifft nicht nur die Polizei.

Sondern?

Wir haben in Sachsen ein grundsätzliches Problem. Heidenau, Freital, Clausnitz sind Orte, die wegen Angriffen auf Flüchtlinge bundesweit für Negativschlagzeilen sorgten, und dass die unsägliche Höcke-Rede …

mit dem „Mahnmal der Schande“

… dass die in Dresden stattgefunden hat, war sicher auch nicht zufällig. Wir müssen über die Ursachen von Rechtsextremismus reden. Die liegen zum Teil lange zurück, und die sächsische Staatsregierung hat dafür eine erhebliche Mitverantwortung.

Noch mal konkret: Was muss sich bei der sächsischen Polizei ändern?

Die politischen Prämissen. Dass man wie in Sachsen an den Mittelschulen Geschichte abwählen konnte, war fatal. Das wenigstens ist nach Clausnitz korrigiert worden. Wir brauchen bessere politische Bildung, Unterstützung zivilgesellschaftlicher Initiativen, und natürlich muss bei der Polizeiausbildung demokratische Kultur deutlich gestärkt werden. Dazu gehört auch die Pressefreiheit. An solchen Orien­tierungen durch die Landesregierung mangelt es seit Jahren.

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