Jens Müller
Die Couchreporter
: Bewährte Zutaten gekonnt zusammengerührt: „Die Pest“ aus Spanien

Foto: Abb.: Stephanie F. Scholz

Man nehme: die unglaublich wahnsinnig erfolgreichste Fernsehserie der vergangenen Jahre, „Game of Thrones“ also. Unter uns gesagt, die fliegenden Drachen und die Eiszombies waren doch etwas over the top, wenn nicht kindisch, und auch arg kostspielig – so sind sie eben, die Amerikaner. Aber der ganze große Rest, historisch anmutende Kostüme, sich kreuzende Klingen, ein unübersichtlicher Plot mit viel Personal, Sex und Gewalt … Nur sind wir hier ja in Europa, wozu brauchen wir Fantasy, wenn wir (anders als die Amis) echte Geschichte haben, in Spanien zumal. „El Siglo de Oro“ war die Berliner Blockbuster-Sommerausstellung des Jahres 2016, über Velázquez & Co. Diese barocke Bildwelt der spanischen Maler ist doch die perfekte Vorlage, muss man nur noch in bewegte Bilder umsetzen: Sevilla, um 1600.

Frühe Neuzeit, Religion, die Pest, wie gesagt: Sex und Gewalt – wie das geht hat 1985 Paul Verhoeven vorgemacht, sein erster US-Film, ein Riesenflop, wie so oft in seiner Karriere („Showgirls“, „Starship Troopers“) war er seiner Zeit voraus. 20 Jahre später war „Rom“ (2005–2007) die TV-Serie, die uns ein lebensnahes Panorama einer historischen Metropole vorgeführt hat, mit vielen Details, braunem Dreck und grauem Elend, die es in den Sandalenfilmen in Technicolor nicht gegeben hatte.

Dieses aseptisch saubere und kulissenhaft knallbunte Madrid in „Mit Dolch und Degen“ (2015 auf Arte), hatte danach doch nur noch anachronistischen Charme. Da sah die Kinoversion des in Spanien weltberühmten „Alatriste“-Stoffes (2006), bis dato die teuerste spanische Filmproduktion, viel härter aus, authentischer. Und das „Alatriste“-Motiv, dass der über den Tod hinaus loyale Held den aufgeweckten Sohn eines verstorbenen Weggefährten als Eleven an seiner Seite hat, muss unbedingt übernommen werden. Das Lehrer/Schüler-Duo hat doch bei „Der Name der Rose“ (1986) auch schon funktioniert. Und apropos: So eine Mordserie mit religiösem Hintergrund, Inquisition inklusive, bei der es dem Mörder darum geht, die kirchliche Doktrin gegen die Aufklärung zu verteidigen – gekauft! Wer soll’s machen? Keine Frage: Schon mit ihrem Film „La isla mínima“ (2014) haben Alberto Rodríguez (Regie) und Rafael Cobos (Drehbuch) demonstriert, wie hervorragend sie sich darauf verstehen, einen Serienkiller-Krimi-Plot als Folie für ein düsteres Sittengemälde zu nutzen, damals des Spaniens nach dem Ende der Franco-Diktatur.

„Die Pest“ (6 Folgen, auf Sky Ticket, Sky Go und Sky On Demand) – teuerste spanische Serie aller Zeiten, in Spanien erfolgreicher als „Game of Thrones“, zweite Staffel bereits bestellt – ist ein aus bestens bewährten Zutaten zusammengerührtes, ergo knallhart kalkuliertes Produkt. Macht das was? Nicht, wenn es so gekonnt gemacht ist und so konsequent. Und wenn man an all die heroischen Tode etlicher Film-Jeanne-d’Arcs denkt: In keinem Film, nie zuvor dürfte das Sterben auf dem Scheiterhaufen so naturalistisch gezeigt worden sein. Sodass man das verbrennende Fleisch beinahe durch den Bildschirm zu riechen meint.