Aktionstag in rund 30 Städten: Proteste gegen Paragraf 219a

Von Berlin bis Bremen, von Gießen bis Münster: Mehr als 5.000 Menschen gehen für Informationsfreiheit bei Abtreibungen auf die Straße.

Frauen protestieren mit einem Schild

„Mein Uterus, meine Entscheidung“: Kundgebung in Hamburg Foto: dpa

BERLIN/ MÜNSTER taz | Als die weißen Luftballons zerstochen werden, auf denen „§219a“ steht, brandet Jubel auf. Vor der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin-Mitte zeigen PerfomerInnen, was sie von dem Paragrafen halten, der es ÄrztInnen verbietet, auf ihren Websiten über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren: gar nichts.

Wie in Berlin sind am Samstag in mehr 30 Städten Menschen auf die Straße gegangen, um für die Abschaffung des Paragrafen Stellung zu beziehen. Nach Angaben des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung, das zum Aktionstag unter dem Motto „Keine Kompromisse!“ aufgerufen hatte, kamen bundeweit zwischen 5.000 und 6.000 Menschen zu Demos, Performances und Kundgebungen.

Diese richteten sich vor allem gegen ein Eckpunktepapier der Bundesregierung zum Paragrafen 219a, das im Dezember vorgestellt und scharf kritisiert wurde. „Dass darin die Propaganda radikaler AbtreibungsgenerInnen übernommen wurden, ist eine Schande!“, sagte eine Sprecherin des Bündnisses am Samstag. Das Papier trage dazu bei, dass ÄrztInnen stigmatisiert und Schwangerschaftsabbrüche tabuisiert würden. Noch im Januar, hatte die Bundesregierung angekündigt, solle ein Gesetzesvorschlag zum Paragrafen auf dem Tisch liegen.

Nasskaltes Wetter und Regen dürften am Samstag allerdings dafür gesorgt haben, dass die Erwartungen an die Anzahl der TeilnehmerInnen am Aktionstag mancherorts eher unterlaufen wurden: In Berlin waren laut Bündnis rund 700 Menschen bei der Kundgebung, laut Polizei waren es 300. In Bremen zählte die Polizei 150 Menschen, in Gießen sprach das Bündnis von rund 600, die Polizei von rund 400 TeilnehmerInnen.

„Wir werden uns nie mit Kompromissen abfinden“

RednerInnen immerhin waren prominent vertreten: In Gießen etwa stand Kristina Hänel auf der Bühne, die Allgemeinärztin, deren Verurteilung wegen des Paragrafen 219a die Debatte erst ins Rollen gebracht hatte. Mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Eckpunktepapier sei klar, dass die Informationen auf ihrer Website weiter strafbar blieben, sagte Hänel. Sie forderte einen sicheren Zugang zu Informationen, zu Verhütungsmitteln und ein Recht auf reproduktive Selbstbestimmung.

In Berlin stand unter anderem Linkspartei-Chefin Katja Kipping auf der Bühne auf der Ladefläche eines LKW. „Wir werden uns niemals mit Kompromissen abfinden, die das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung nicht vollständig herstellen“, rief sie. Der Paragraf 219a müsse genauso weg wie der Paragraf 218, forderte sie.

Annalena Baerbock, Grüne

„Der 219a muss weg! Online-Informationen im ganzen Land!“

Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte ebenfalls in Berlin, „es ist absurd, dass wir im Jahr 2019 immernoch für so etwas auf der Straße stehen müssen!“ Es mache sie wütend, dass es eine parlamentarische Mehrheit für die Abschaffung des Paragrafen im Bundestag gebe und dennoch nichts passiere. „Der 219a muss weg!“, forderte Baerbock: „Online-Informationen im ganzen Land!“

Nur noch eine Praxis

In Berlin waren Jusos und Vertreterinnen der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) vor Ort, die damit versuchen, Druck auf ihre Partei zu machen. „Ich erwarte, dass meine Partei ihren Vorstandsbeschluss auf Bundesebene einhält und sich dafür stark macht, den 219a abzuschaffen“, sagte ASF-Landeschefin Susanne Fischer. Die Rechtssicherheit für ÄrztInnen sei eine rote Linie. „Wenn die CDU sich da nicht bewegt, muss man überlegen, ob diese Koalition noch sinnvoll ist.“

Auch in Münster, wo rund 100 vor allem junge TeilnehmerInnen zur Kundgebung gekommen waren, waren SPDlerInnen vertreten. “Die SPD ist für die Streichung, wir sind für die Streichung“, sagte ASF-Mitglied Gertrud Sparding. „Wir sind nicht zufrieden mit dem Kompromissvorschlag.“ Doch die Situation werde immer brenzliger: „Zu viele Kräfte hierzulande wollen nicht, dass Frauen selbstbestimmt über ihren Körper entscheiden.“

Zu den RednerInnen in Münster zählte zudem Maria Klein-Schmeink, die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag. In der Stadt gebe es aktuell nur noch eine Praxis, die Abbrüche durchführe, beklagte sie. „Mich entsetzt, dass wir fürchten müssen, dass Frauen in einer Notlage keine Hilfe finden.“ Sie hoffe noch immer, sagte Klein-Schmeink, „dass die SPD in sich geht und den Mut findet, die Abstimmung freizugeben.“

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