Entscheidung vom Bundesfinanzhof: Reiche müssen weiter Soli zahlen

Auch 32 Jahre nach der Wiedervereinigung darf der Staat noch den Solidaritätszuschlag erheben. Seit 2021 müssen ihn nur noch Besserverdienende zahlen.

Ein Trabant rollt am Ortseingangsschild von Bitterfeld vorbei

Bitterfeld 1990 – hier sah der Westen dringenden Reparaturbedarf – also eine Aufgabe für den Soli Foto: Sven Simon/imago

FREIBURG taz | Der Solidaritätszuschlag für Besserverdienende ist nicht verfassungswidrig. Das entschied jetzt der Bundesfinanzhof in München, das oberste deutsche Gericht für Steuerfragen. Die Frage wird damit nicht dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt.

Der Solidaritätszuschlag wird seit 1995 erhoben. Es handelt sich um eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer, die das Grundgesetz in Artikel 106 ausdrücklich zulässt. Anders als die Einkommensteuer wird der Soli nicht auf Bund und Länder verteilt, sondern geht nur an den Bund, um Sonderkosten der deutschen Wiedervereinigung auszugleichen. Das Geld muss aber nicht zweckgebunden für Aufgaben in Ostdeutschland ausgegeben werden, sondern fließt in den allgemeinen Bundeshaushalt.

Derzeit werden als Solidaritätszuschlag 5,5 Prozent der bezahlten Einkommensteuer verlangt. Seit 2021 zahlen den Soli aber nur noch die rund 10 Prozent der leistungsfähigsten Steuerzahler. Das hat die Große Koalition 2019 beschlossen. Betroffen sind noch Singles mit einem Nettoeinkommen über 63.000 Euro und Ehepaare mit über 126.000 Euro. Unternehmen zahlen unverändert einen Zuschlag auf die Körperschaftsteuer. In der Folge sank das jährliche Soli-Aufkommen von 19 Milliarden Euro auf 11 Milliarden Euro.

Gegen die fortdauernde Erhebung des Solidaritätszuschlags klagte der Steuerberater Andreas Berberich aus Aschaffenburg mit seiner Ehefrau und Sekretärin Margarete Berberich. Nach ihrer Ansicht verstößt der Soli längst gegen das Grundgesetz, weil es keine vereinigungsbedingten Sonderlasten mehr gebe. Als Beleg verwiesen die Klä­ge­r:in­nen auf das Auslaufen des Solidarpakts II im Jahr 2019. Bis dahin hatte der Bund den neuen Ländern in Ostdeutschland im Rahmen des Bund-Länder-Finanzausgleichs viele Extramilliarden überwiesen. Seitdem gehen die Sonderzahlungen des Bundes an strukturschwache Regionen in Ost und West.

Wiedervereinigung ist „Generationenaufgabe“

Doch wie der Bundesfinanzhof nun entschied, bedeutet das Auslaufen des Solidarpakts II nicht, dass es keine vereinigungsbedingten Sonderlasten des Bundes mehr gibt. Die Münchner Richter, fünf Männer unter Vorsitz von BFH-Präsident Hans-Josef Thesling, gehen davon aus, dass es noch genügend Sonderkosten gibt, etwa bei der Finanzierung von Renten für Ostdeutsche und für den Arbeitsmarkt in Ostdeutschland, sodass die Ergänzungsabgabe „noch“ verfassungskonform ist.

Bei der Wiedervereinigung handele sich um eine „Generationenaufgabe“, so Thesling, die durchaus 30 Jahre oder länger finanziert werden müsse. Der Bund müsse aber immer prüfen, ob noch ein spezifischer Mehrbedarf bestehe und ob dieser „vorübergehend“ ist. Wenn eine Aufgabe zur Daueraufgabe werde, müsse sie über normale Steuern finanziert werden. Thesling lobte allerdings die Reduzierung der Zahl der Soli-Pflichtigen, das sei der „Einstieg in den Ausstieg“.

Zwar werden die Besserverdienenden nun ungleich behandelt, so der BFH, dies sei aber durch das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes gerechtfertigt, denn sie seien auch leistungsfähiger.

Falls das Ehepaar Berberich den Soli immer noch für verfassungswidrig hält, kann es den Fall nun selbst nach Karlsruhe bringen, indem es gegen das Münchner Urteil Verfassungsbeschwerde erhebt. Bis das Bundesverfassungsgericht entscheidet, kann es aber lange dauern. Dort liegt auch noch eine Vorlage des Finanzgerichts Niedersachsen zur Soli-Erhebung im Jahr 2007. CDU/CSU, FDP und AfD forderten nach dem Münchner Urteil die Aufhebung des Soli durch ein Gesetz des Bundestags.

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