Khaled El Masri klagt gegen Mazedonien

MENSCHENRECHTE Bisher hat das Ulmer CIA-Opfer Khaled El Masri nur gegen die USA geklagt. Doch jetzt geht er auch gegen Mazedonien vor, wo das Unrecht 2004 begann. Mazedonien hält Klage für unzulässig

„Ohne die Übergabe an die CIA wäre das alles nicht passiert“

ANWALT JAMES GOLDSON

AUS STRASSBURG CHRISTIAN RATH

„Wenn es je einen Fall gab, der vor diesen Gerichtshof gehört, dann ist es der Fall von Khaled El Masri.“ Das erklärte am Mittwoch Anwalt James Goldson vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Der Deutschlibanese El Masri klagt dort gegen die Beteiligung Mazedoniens an seiner Entführung und Misshandlung durch den US-Geheimdienst CIA vor acht Jahren.

Der Ulmer El Masri, der seit 1994 deutscher Staatsbürger ist, war Ende 2003 von seiner Heimatstadt aus in den Urlaub nach Mazedonien gefahren. Dort wurde er jedoch von mazedonischen Geheimdienstlern verhaftet, die ihn verdächtigten, zu al-Qaida zu gehören. 23 Tage lang wurde er in der Hauptstadt Skopje in einem Hotel gefangen gehalten. El Masri durfte niemanden kontaktieren, weder seine Familie noch einen Anwalt noch die deutsche Botschaft.

Schließlich wurde er am Flughafen von Skopje CIA-Agenten übergeben. Die schlugen ihn erst einmal zusammen, um ihn unter Schock zu setzen, so Anwalt Goldson. Dann wurde er nach Kabul geflogen, wo er in einem Geheimgefängnis vier Monate lang misshandelt und verhört wurde. Als die US-Amerikaner einsahen, dass El Masri ungefährlich war, brachten sie ihn nach Europa zurück und setzten ihn in Albanien aus.

Das war im Mai 2004. Der ungeheuerliche Vorfall schlug hohe Wellen. Sowohl der Bundestag als auch der Europarat hielten El Masri für glaubwürdig. Wahrscheinlich wurde er nur mit einem gleichnamigen Al-Qaida-Mitglied verwechselt.

Bisher klagte El Masri nur gegen die USA. Doch jetzt gerät erstmals auch Mazedonien ins Blickfeld. Anwalt Goldson wirft dem Balkanstaat eine eindeutige Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention vor. Die dreiwöchige Gefangennahme in Skopje sei eine illegale Freiheitsberaubung gewesen. Den Gewaltexzess am Flughafen von Skopje habe die mazedonische Regierung geduldet und auch das Verschwindenlassen in Kabul müsse sich Mazedonien zurechnen lassen. „Ohne die Übergabe an die CIA wäre das alles nicht passiert“, sagte Goldson. Die Regierung in Skopje habe wissen können, dass die USA Gefangene heimlich in andere Staaten transportiert, um sie dann ohne jeden rechtlichen Schutz mit in den USA unzulässigen Methoden zu verhören.

Mazedonien behauptet jedoch, El Masri habe sich damals 23 Tage lang freiwillig in dem Hotel in Skopje aufgehalten und sei dann freiwillig in den Kosovo ausgereist. Man wisse nichts von einer CIA-Entführung. In der gestrigen mündlichen Verhandlung beschränkte sich die Regierung allerdings auf formale Argumente: Die Klage El Masris sei unzulässig, weil er sich zu spät an den Gerichtshof für Menschenrechte gewandt hatte.

Nach den Regeln des Gerichtshofs muss spätestens sechs Monaten nach der letzten nationalen Entscheidung in Straßburg geklagt werden. Wenn deutlich zu sehen ist, dass es keine nationale Entscheidung geben wird, dann beginnt in diesem Moment die Sechsmonatsfrist zu laufen.

Mazedonien hätte vom geheimen Auslieferungs- und Verhörprogramm wissen können

El Masri hatte Ende 2008 in Skopje Strafanzeige gestellt und, als nichts passierte, Mitte 2009 den Straßburger Gerichtshof angerufen. Die mazedonische Regierung argumentierte dreist, El Masri hätte schon viel früher als 2008 merken müssen, dass er von der mazedonischen Justiz nichts erwarten könne, mit der Strafanzeige könne deshalb keine neue Sechsmonatsfrist ausgelöst werden. Doch Anwalt Goldson erwiderte, es sei in einem so komplexen Verfahren normal, wenn man 4,5 Jahre brauche, um Beweise zu sammeln.

Die Große Kammer des EGMR wird ihr Urteil in einigen Monaten verkünden. Falls Mazedonien verurteilt wird, muss der exjugoslawische Kleinstaat El Masri eine Entschädigung zahlen. Für Mazedonien, das in die EU strebt, wäre das vor allem ein diplomatischer Rückschlag.

Und Khaled El Masri? Er nahm nicht selbst an der Verhandlung in Straßburg teil. Der 48-Jährige sitzt noch bis Juni in einem Gefängnis bei Ulm. Seit seiner Rückkehr nach Deutschland ist er immer wieder ausgerastet, hat Feuer in einem Supermarkt gelegt und einen Kommunalpolitiker angegriffen. Die Strafrichter werteten seine Traumatisierung zwar als strafmildernd, verurteilten ihn aber trotzdem. Zuletzt hatte El Masri in der Haft einen Vollzugsbeamten attackiert, weshalb er nun weitere vier Monate Haft absitzen muss.