Steuersenkung im Bundesrat gestoppt

FINANZEN Ohne höheren Spitzensteuersatz will die Opposition der Minireform nicht zustimmen

„Steuersenkungen auf Pump“ wollen SPD, Grüne und Linke nicht akzeptieren

BERLIN dpa/taz | Unmittelbar vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ist die schwarz-gelbe Koalition mit ihrer geplanten Steuersenkung im Bundesrat vorerst gescheitert. In der Länderkammer gab es am Freitag keine Mehrheit für die ab 2013 angestrebte Entlastung um jährlich bis zu 6,1 Milliarden Euro.

Die von SPD und Grünen geführten Länder lehnen die Pläne zum Abbau der „kalten Progression“ unverändert ab. Sie fordern zur Gegenfinanzierung unter anderem eine Anhebung des Spitzensteuersatzes für Topverdiener von 42 auf 49 Prozent. Ein rot-grüner Länder-Antrag dafür fand im Bundesrat aber ebenfalls keine Mehrheit.

Die Bundesregierung kündigte an, jetzt den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat einzuschalten. Die Verzögerung sei weder gegenüber den Bürgern noch dem Verfassungsrecht zu verantworten, kritisierte Regierungssprecher Steffen Seibert die Länder. Mit dem Gesetz sollten „heimliche Steuererhöhungen“ beseitigt werden.

Union und FDP setzen darauf, dass nach der Landtagswahl in Düsseldorf ein Kompromiss möglich ist. Der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Steffen Kampeter (CDU), meinte: „Ich sage voraus, dass wir uns ab Sonntagabend, 18 Uhr, in sachlicher Art und Weise auf die Lösung des Problems einigen werden.“ Wegen der Rekordsteuereinnahmen gebe es keinen Anlass für ein Horrorszenario der Länder.

Sachsen-Anhalts SPD-Finanzminister Jens Bullerjahn brachte eine große Paketlösung bei Streitthemen von Bund und Ländern ins Spiel. „Es wird ein riesiges Paket geben aus Steuersenkung, Steuerabkommen mit der Schweiz, Fiskalpakt und Erneuerbare-Energien-Gesetz“, sagte Bullerjahn der Financial Times Deutschland. Diese Andeutung eines Kompromisses beim Steuerabkommen mit der Schweiz stieß auf scharfe Kritik von Attac und Campact; sie forderten die SPD auf, hart zu bleiben und das Abkommen weiter abzulehnen.

Mit ihrer Steuerreform wollen Union und FDP zur Entlastung der Bürger den steuerlichen Grundfreibetrag in zwei Stufen bis 2014 auf jährlich 8.354 Euro für Ledige anheben. Eine Erhöhung dürfte ab 2013 verfassungsrechtlich ohnehin geboten sein. Hinzu kommen Änderungen beim Tarifverlauf. Die Koalition will so das Problem der „kalten Progression“ eindämmen. Diese „heimlichen Steuererhöhungen“ sind Folge von Lohnerhöhungen, die nur den Preisanstieg ausgleichen. Der Arbeitnehmer hat nicht mehr in der Tasche, nur der Fiskus profitiert.

Gegen einen verfassungsrechtlich gebotenen höheren Grundfreibetrag, der an das Existenzminimum gekoppelt ist, sperrt sich auch die Opposition nicht. Sie fordert aber eine Kompensation der Steuerausfälle – trotz der von Schätzern vorausgesagten möglichen Mehreinnahmen des Staates von fast 30 Milliarden Euro bis 2016. Vor allem die FDP ist strikt gegen Steuererhöhungen an anderer Stelle.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bekräftigte, „Steuersenkungen auf Pump“ würden abgelehnt. Einer Entlastung unterer und mittlerer Einkommen sowie einer nötigen Anhebung des Grundfreibetrages werde man sich nicht verschließen.

Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linke) sagte mit Blick auf die Forderung nach einem höheren Spitzensteuersatz, es müssten die zur Kasse gebeten werden, die es sich leisten könnten.