Lehrer*innen-Streik für kleine Klassen: Lehren muss mehr Freude machen

Die hohe Beteiligung beim Lehrer*innen-Streik zeigt: Die neue Schulsenatorin braucht kreative Ideen, damit nicht noch mehr Pädagog*innen aussteigen.

Zwei Lehrer, ein Mann und eine Frau, mit GEW-Fahnen und vor dem Transparent "Kleinere Lerngruppen jetzt"

Eine Idee, den Lehrerberuf attraktiver zu machen: kleinere Klassen Foto: dpa

BERLIN taz | Jede und jeder kennt die Geschichten über Lehrer*innen, denen aus den unterschiedlichsten Gründen die Puste ausgegangen ist. Die den Unterricht nur noch verwalten und niemanden mehr für ihr Fach begeistern können – sofern sie überhaupt noch zur Arbeit kommen. Vor diesem Hintergrund ist es mehr als erstaunlich, wie viele angestellte Leh­re­r*in­nen in Berlin sich seit 2021 immer wieder für Proteste für kleinere Klassen motivieren lassen. Schließlich bekamen und bekommen sie von der alten wie der neuen Schulsenatorin stets nur zu hören, dass ihre Forderungen zwar berechtigt, aber auch aus praktischen und rechtlichen Gründen nicht umsetzbar seien. Danke fürs Gespräch.

Am Mittwoch haben, als Höhepunkt des dreitägigen Streiks in dieser Woche, erneut rund 3.000 Lehrende für bessere Lehr- und Lernbedingungen protestiert, das entspricht fast einem Zehntel der Leh­re­r*in­nen­schaft Berlins. Getreu dem Motto: Wir haben keine Chance, aber wir nutzen sie.

Denn vielleicht ergibt sich die Chance ja doch noch. Natürlich ist es längst nicht mehr nur ein Dilemma der Berliner Landespolitik, dass es zu wenig Päd­ago­g*in­nen gibt. Aber das sollte die neue Schulsenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) nicht davon abhalten, kreativ nach Ideen zu suchen, wie Berlin jene wenigen Lehrkräfte, die der Markt noch hergibt, anlocken kann. Schließlich will die erste CDU-Politikerin in diesem Amt seit 25 Jahren beweisen, dass Bildungspolitik bei ihrer Partei besser aufgehoben ist als bei den Sozialdemokrat*innen. Doch danach sieht es nicht aus: Laut ihrer eigenen Prognose fehlen Günther-Wünsch zum Schulstart Ende August Leh­re­r*in­nen im Umfang von 1.460 Vollzeitstellen. So viele wie nie zuvor.

Sie kann es sich also schlicht nicht leisten, jene engagierten angestellten Leh­re­r*in­nen durch demonstratives Nichthandeln zu demotivieren. Sollten sie sich aus Frust beruflich anders orientieren, wird die Leerstelle an den Schulen noch größer.

Und natürlich gibt es auch jenseits des von der Gewerkschaft geforderten Tarifvertrags für Gesundheitsschutz Möglichkeiten, wie die Situation an den Schulen entspannt werden kann. So stellt sich etwa die Frage, warum ein guter Teil der Leh­re­r*in­nen längst keine Vollzeitstellen mehr machen wollen. Klar: Die gute Bezahlung macht Teilzeit attraktiv, für mache ist mehr aus familiären Gründen nicht drin. Aber vielleicht kann eine bessere finanzielle Ausstattung der Schulen und Entlastung bei der Bürokratie ein Anreiz sein, im Beruf zu bleiben oder den Stellenumfang (zeitweise) aufzustocken. Weil dann Lehren mehr Freude macht. Und das kommt den Schü­le­r*in­nen zu Gute.

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Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.

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