Auf dem Kotti
: Bitte mehr Distanz

Fup guckt, isst und steht den Leuten im Weg

Fup will mit seinem „Morad“ raus, das heißt eigentlich Motorrad, ist aber nur ein Laufrad. „Wohin willst du?“ Fup hat eine ganz bestimmte Vorstellung. Und wohin führt er mich? Auf den Kotti. Er will U-Bahn fahren. Nein, U-Bahn ist nicht drin. Na gut, dann weigert er sich eben, überhaupt weiterzugehen.

Die Leute um uns herum gehen bei Grün über die Straße. Bei Rot natürlich auch. Wir aber bleiben stehen wie zwei kleine Felsen in der Brandung. Irgendwann fährt Fup unter der Hochbahn entlang, wo das Pflaster flächendeckend mit Taubenscheiße bedeckt ist. Er radelt weiter zu Kaiser’s, durch die offene Tür zur Bäckerei, wo er sich eine Salzstange besorgen lässt. Vor dem Eingang bleibt er stehen und isst. Direkt vor den Alkis. Der eine sieht sehr derangiert aus, mit Bart, Augen auf halbmast und einer verranzten Jacke. Der andere hat zu große Jeans an, und sein Gesicht befindet sich sehr nah vor dem Gesicht des anderen. „Schon mal was von Distanz gehört? Ein bisschen mehr Distanz! Das ist ja wohl nicht zu viel verlangt“, sagt der Bärtige, aber sehr sehr laut. Der andere schreit: „Scheiß Distanz. Du weißt doch gar nicht, was das ist.“

Ein Dritter stürzt herbei: „Nicht so laut.“ Fup guckt interessiert und isst. Der Schlichter gesellt sich zu einem Schwarzen mit Bierdose. Dann kommt er zurück und sagt: „Das Arschloch will mir sein Handy nicht geben. Ich muss ’ne echt wichtige SMS verschicken.“ Und zu dem Schwarzen, der Biernachschub holt: „Fick doch deine Weiber.“ Fup guckt, isst und steht den Leuten im Weg. Ich auch.

Wieder schreien sich die Alkis an. Es geht um das beschissene Leben im Allgemeinen. Der Schwarze ist wieder da. Mit Bier. Der eine Schreihals schleicht sich hinter ihn und bewegt sein Becken vor und zurück. Fup hat genug. Er fährt nach Hause. Mit einer Hand. In der anderen hält er seine Salzstange.

KLAUS BITTERMANN