Kindesmissbrauch durch Boygroup-Manager: Japans Medien haben weggeschaut

Johnny Kitagawas Talentagentur kontrollierte mehrere von Japans beliebtesten Boybands. Doch der Manager missbrauchte Tänzer und Sänger.

Ein Bildschirm zeig ein Foto von Johnny Kitagawa.

Ihm wird sexueller Missbrauch in vielen Fällen vorgeworfen: Talentmanager Johnny Kitagawa Foto: Kyodo News/ap

TOKIO taz | Eine Delegation des UN-Menschenrechtsrates hat am Dienstag in Tokio hinter verschlossenen Türen Ex-Tänzer und -Sänger der Talentagentur Johnny & Associates befragt. Sie beschuldigen den 2019 verstorbenen Gründer Johnny Kitagawa des sexuellen Missbrauchs, als sie noch Kinder und Teenager waren. 100 bis 200 Jungen fielen ihm wohl zum Opfer.

„Sie haben versucht, auf meine Gefühle Rücksicht zu nehmen“, sagte Shimon Ishimaru nach dem Treffen mit den UN-Menschenrechtlern. Der heute 55-Jährige ist Vizechef einer kürzlich gegründeten Vereinigung der Opfer Kitagawas.

Japanische Medien taten jetzt so, als ob die UN-Befragung ganz normal sei, ohne zu erwähnen, dass sie seit Jahrzehnten vom Missbrauch gewusst und diesen verschwiegen hatten. Dabei stellte ein Gericht 2004 fest, dass anonyme Anschuldigungen gegen Kitagawa von zwölf Tänzern und Sängern in einem unabhängigen Magazin wahr seien.

Aber die Presse hielt sich an ihre selbstauferlegte Omertà. Denn Kitagawa kontrollierte Japans beliebtesten Boybands wie Smap und Arashi, deren Auftritte in Shows und Talkrunden den TV-Sendern hohe Quoten und Werbeeinnahmen brachten. Die Staatsanwaltschaft handelte nicht, weil Opfer ihre Vorwürfe anonym erhoben und Sex mit Teenagern ab 13 Jahren damals noch legal war.

Zum Idol verklärt

Eine BBC-Dokumentation über Kitagawas Missbrauch im März brach das Gesetz des Schweigens. Danach erklärten mehrere Männer öffentlich, Kitagawa habe sie als Teenager bei Übernachtungen in dessen Penthouse im In-Viertel-Shibuya missbraucht. Ein Betroffener war der damals 15-jährige Kazuya Nakamura, der in das Trainingslager „Johnny’s Jr.“ für Tänzer und Sänger aufgenommen wurde. Kitagawa wählte die Schüler selbst aus, womöglich nach seinem sexuellen Geschmack.

Eine Person bei einer Pressekonferenz.

Kazuya Nakamura, hier bei einem Pressetermin im Juli, war 15, als er von Johnny Kitagawa missbraucht wurde Foto: Hiro Komae/ap

Doch solche Aussagen schafften es immer noch nicht auf die Titelseiten oder in die TV-Hauptnachrichten, nur wenige Journalisten übten Selbstkritik. Auf Twitter empörten sich manche, dass Kitagawa einst zum Idol verklärt wurde. Andere verteidigten ihn, die Teenager hätten in der Hoffnung auf Ruhm dem Sex zugestimmt. Die Präsidentin von Johnny & Associates, Kitagawas Nichte Julie Keiko Fujishima, entschuldigte sich nur knapp auf Youtube.

Sie beauftragte einen Ex-Staatsanwalt, die Vorwürfe zu untersuchen. Er gehe davon aus, dass es zum Missbrauch gekommen sei, sagte der Jurist. Doch das Opfer Nakamura berichtete, er habe die Ermittler nicht erreichen können. Er organisiert nun eine Sammelklage. „Es ist wichtig, dass wir unsere Stimme erheben“, erklärte der heute 36-Jährige.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.