Union fordert mehr Ausbürgerungen: Deutsch auf Abruf

Die Regierung macht Tempo bei Abschiebe- und Einbürgerungs-Verschärfungen. In der Debatte zeigt die Union, wie wenig ihr der deutsche Pass wert ist.

Zwei Reisepässe

„Die deutsche Staatsbürgerschaft darf nicht entzogen werden“, heißt es im Grundgesetz Foto: Panthermedia/imago

Plötzlich soll alles ganz schnell gehen, sowohl bei der lange verschleppten Reform des Staatsangehörigkeitsrechts als auch bei den Abschiebeverschärfungen. Beides soll noch vor Weihnachten beschlossen werden. Dabei gibt es an den Gesetzesvorhaben berechtigte Kritik. Beim Abschiebegesetz sind enorme Grundrechtseinschnitte geplant. Beim Staatsangehörigkeitsrecht sollen Ausnahmen für jene wegfallen, die unverschuldet auf Sozialleistungen angewiesen sind.

All das wäre Grund genug, sich diesen Gesetzen mit Sorgfalt zu widmen. Noch dazu kommen von überall neue Änderungswünsche: Das beginnt bei dem Katalog an fragwürdigen Maßnahmen gegen Geflüchtete, die die Ministerpräsidentenkonferenz vereinbart hat. Und es endet bei der Forderung der Union, Dop­pel­staat­le­r*in­nen bei antisemitischer Betätigung die deutsche Staatsangehörigkeit zu entziehen.

Antisemitismus ist in Deutschland ein riesiges Problem. Der Vorschlag der Union hat aber wenig zu tun mit echter Sorge um jüdische Menschen. Vielmehr sieht sie die Chance, abermals zu erklären: Antisemitismus sei vor allem ein „importiertes“ Problem – das Flugblatt in Hubert Aiwangers Schultasche lässt grüßen – und die doppelte Staatsbürgerschaft ohnehin ein Fehler.

Natürlich gilt es, genau zu prüfen, wen man einbürgert. Dabei sollten Antisemitismus und andere Formen von Menschenfeindlichkeit Ausschlussgründe sein. Schon jetzt aber können Einbürgerungen bis zu zehn Jahre lang zurückgenommen werden, wenn über die Voraussetzungen getäuscht wurde. Danach aber ist und bleibt ein Mensch mit deutschem Pass Deutscher.

Es ist interessant, dass ausgerechnet die Union der deutschen Staatsbürgerschaft dieses Gewicht nehmen will. Immerhin ist sie es, die der Ampelkoalition deren „Entwertung“ vorwirft. „Die deutsche Staatsbürgerschaft darf nicht entzogen werden“, heißt es im Grundgesetz. Was die Union fordert, heißt aber nichts anderes als: Wer zwei Pässe hat, soll für immer Deutscher auf Abruf bleiben.

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leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

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