Prozess gegen Gil Ofarim: Der politische Schaden ist groß

Der Popsänger Gil Ofarim hat zugegeben, sich den Antisemitismusvorwurf ausgedacht zu haben. Seine Lüge schadet dem Kampf gegen Judenhass.

Portrait von Gil Ofarim

Leipzig, 28.11.: Gil Ofarim im Saal des Landgerichts Foto: Hendrik Schmidt/dpa

Gil Ofarim hat gelogen. Das hat der Popsänger nach einem schwierigen wie auch beschämenden Prozess am Dienstag selbst eingestanden. Er wurde vor zwei Jahren in einem Leipziger Hotel also weder antisemitisch beschimpft noch trug er, wie er stets versichert hatte, offen vor seiner Brust den Davidstern, das Symbol des Judentums und des israelischen Volkes.

Warum Ofarim die ganze Zeit die Unwahrheit gesagt hatte, mehr noch, warum er stets betont hatte, das Video, mit dem er damals den Hotelmanager des Antisemitismus beschuldigt hatte, genauso wieder zu drehen, wissen wir nicht. Am Ende ist es egal. Mit diesem Teil der Geschichte muss sich der 41-Jährige selbst auseinandersetzen. Seiner persönlichen und beruflichen Reputation dürfte es geschadet haben.

Wesentlich größer ist der politische und gesellschaftliche Schaden, den der Mann angerichtet hat. Erst recht in diesen Monaten, in denen Jüdinnen und Juden im Nahen Osten vergewaltigt, gefoltert, entführt und bestialisch ermordet werden. Überall in der Welt verstärkt sich aktuell der Antisemitismus, wachsen die Ressentiments gegen Israel und seine Bevölkerung, werden Jüdinnen und Juden bedroht.

Gut, vor zwei Jahren, als Ofarim sein Video hochlud, konnte er vom Hamas-Übergriff auf Israel nichts ahnen. Aber auch damals hätte er wissen müssen, welche Folgen seine unwahren Behauptungen haben können – und dafür die nötige Portion Sensibilität aufbringen können. Jetzt fühlen sich sicher all jene „bestätigt“, die ohnehin die „Antisemitismuskeule“ schwingen, sie werden ihrem Judenhass nun erst recht freien Lauf lassen.

Dem Kampf gegen Antisemitismus hat Gil Ofarim sehr geschadet, Jüdinnen und Juden wird, wenn sie von Angriffen gegen sich berichten, möglicherweise nicht selten die Glaubwürdigkeit abgesprochen. Und sie werden sich infolge wachsender Judenfeindlichkeit gewiss noch öfter in ihren Wohnungen verschanzen und die Öffentlichkeit meiden.

Für das friedliche Miteinander ist das nicht förderlich, der ohnehin schon fragile Zusammenhalt der Gesellschaft wird dadurch weiter geschwächt. In diesen Zeiten braucht es Mut – in jeder Hinsicht.

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Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.

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