Kriminalisierung der Klima-Bewegung: Verfolgte Ak­ti­vis­t:in­nen

Der „Green Legal Spaces Report“ beklagt eine zunehmende Beschränkung der politischen Teilhaberechte. Aber gibt es ein Recht auf zivilen Ungehorsam?

Eine Klimaaktivistin bemalt das Brandenburger Tor mit orangener Farbe

Berlin, den 16.11.2023: Eine Klimaaktivistin bemalt das Brandenburger Tor Foto: Annette Riedl/dpa

„Klimaaktivismus wird in Deutschland zunehmend durch staatliche Repressionen behindert und delegitimiert“ – das behauptet der „Green Legal Spaces Report“, den die Organisation Green Legal Impact (GLI) an diesem Freitag veröffentlichte. GLI ist ein Zusammenschluss umweltaktivistischer Jurist:innen. Bekanntestes Vorstandsmitglied ist die Hamburger Anwältin Roda Verheyen, die den Klima-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts miterstritten hat.

In einer Fleißarbeit hat GLI auf 52 Seiten die „zunehmenden Repressionen“ gegen die Klima-Bewegung aufgelistet. Der Report unterscheidet allerdings nicht zwischen unterschiedlichen Aktionsformen, also zwischen Demonstrationen, Klimacamps, Blockaden und Sachbeschädigungen. Vielmehr wird all dies als „Klimaproteste“, als Ausübung „politischer Teilhaberechte“ zusammengefasst.

Gegliedert ist der Report nach Art der staatlichen und gesellschaftlichen Reaktionen: Einschränkungen des Versammlungsrechts, unverhältnismäßige Polizeimaßnahmen, strafrechtliche Verfolgung, Schadenersatzklagen und negatives Framing im öffentlichen Diskurs.

Der Report blendet etwas Wichtiges aus

Am bekanntesten sind dabei die strafrechtlichen Ermittlungen gegen die Letzte Generation wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung in München und Neuruppin sowie die bayerische Präventivhaft gegen Letzte-Generations-Aktivist:innen, die damit an angekündigten Straßenblockaden gehindert werden sollten.

Der Report blendet aber völlig aus, dass wohl kaum eine Umweltbewegung zuvor so massiv auf zivilen Ungehorsam gesetzt hat wie die Letzte Generation – und dass viele der beschriebenen staatlichen Maßnahmen genau hierauf reagieren.

Wer sich gezielt rechtswidrig verhält, um damit Städte „lahmzulegen“ und eine „maximale Störung der öffentlichen Ordnung“ zu erreichen, will gerade nicht wie eine klassische Demonstration wahrgenommen und behandelt werden. Diese wohl absichtliche analytische Unschärfe zieht sich durch den gesamten Report.

Es gibt nun mal kein „politisches Teilhaberecht“ auf zivilen Ungehorsam. Deshalb wird es auch nicht eingeschränkt, wenn der Staat gegen Maßnahmen des zivilen Ungehorsams vorgeht. Kritisiert werden kann dann nur die Art der Reaktion. Ist sie unverhältnismäßig, wie beim Präventivgewahrsam, so wird dies zu Recht kritisiert. Aber wenn für das Beschmieren des Brandenburger Tors mit Farbe 115.000 Euro Beseitigungskosten verlangt werden, dann ist das keine willkürliche Schikane, sondern durchaus naheliegend.

Strategisches Scheitern der Klimabewegung

In einem Vorwort behauptet Michel Forst, der UN-Berichterstatter für den Schutz der Umweltschützer, dass der Staat nicht gegen die Letzte Generation vorgehe, weil ihr Handeln mutmaßlich kriminell sei, sondern weil die Organisation so einflussreich geworden sei und weil sie Menschen mit ihren Visionen zusammenbringe. Welch romantische Verklärung.

Dagegen sieht es der Report als Beispiel für gefährliches Negativ-Framing, wenn Po­li­ti­ke­r:in­nen und Medien der Letzten Generation vorwerfen, ihre Aktionsformen seien „kontraproduktiv“. Unbequeme Analyse wird damit auf den Index gesetzt. Fast könnte man meinen, die Klima-Bewegung beginnt, ihr strategisches Scheitern zu realisieren, und versucht nun, den Staat dafür verantwortlich zu machen.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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