Rechtsruck im politischen Diskurs: Das Problem reicht bis in die Mitte

Beim Fokus auf die Demokratiefeindlichkeit der AfD wird übersehen, was in der Mitte passiert. Dort imitieren Parteien zunehmend AfD-Rhetorik.

Menschenmenge zündet Lichter mit dem Handy auf dem Marktplatz der Altstadt von Schwerin

Breites Bündnis gegen die AFD in Schwerin: Lichtermeer auf dem Marktplatz Foto: Ulrich Perrey/dpa

Noch ein paar Monate, dann gibt es in Deutschland den Doppelpass. Ein Schritt, der in einer globalisierten Welt und in einem Einwanderungsland längst überfällig ist – und der dennoch nur gegen heftige Widerstände aus Teilen des politischen Spektrums durchgesetzt werden kann.

Die Ampel setze sich ein „für eine Einbürgerung der Falschen, statt für eine Ausbürgerung der Richtigen“. Klingt nach rechtsextremen Deportationsfantasien? Ist aber „christlich-demokratische“ Union. Diesen Satz sagte der CDU-Politiker Phillip Amthor Ende November, als der Bundestag erstmals über die Gesetzentwürfe zu schärferen Abschieberegelungen und liberaleren Einbürgerungen debattierte.

Der politische Diskurs in Deutschland steht sperrangelweit offen, und zwar nach rechts. Die offene Gesellschaft ist akut bedroht. Allzu einfach ist es in dieser Situation, nur die AfD in den Blick zu nehmen, deren Abgeordnete rechtsextreme Schlagworte wie „Remigration“ längst nicht nur auf geheimen Treffen bedienen, sondern schon seit Monaten in aller Öffentlichkeit – auch im Deutschen Bundestag. Es ist löblich, dass der Bundeskanzler und andere Spi­tzen­po­li­ti­ke­r*in­nen ­gegen rechte Umsturzfantasien auf die Straße gehen. Aber den Kampf gegen rechts gewinnt man nicht nur am rechten Rand, man muss ihn auch in der Mitte führen.

Die Union tut seit Monaten so gut wie alles dafür, solchen Inhalten den Boden zu bereiten. Tagtäglich gibt sie der AfD recht, wenn sie behauptet: Das Hauptproblem im Lande sind Migrant*innen, egal, ob es um Antisemitismus geht, um Wohnungsnot oder um den Haushalt. Von Amthors Ausbürgerungswünschen zur „Remigration“ ist es am Ende nicht weit.

Die Ampelkoalition hat sich in den vergangenen Monaten davon zu sehr treiben lassen. Davon zeugen die vielen restriktiven Maßnahmen im Migrationsbereich – gerade auch das in dieser Woche anstehende sogenannte Rückführungsverbesserungsgesetz. Es wäre zu hoffen, dass die Union ihren zerstörerischen Kurs ändert. Doch darauf warten darf der Rest des Landes nicht.

Aufgabe der Ampelkoalition wäre es, das Momentum der Straße ohne Wenn und Aber ins Parlament zu tragen

Tausende gehen in diesen Tagen gegen rechts auf die Straße. Aufgabe der Ampelkoalition wäre es, dieses Momentum ohne Wenn und Aber ins Parlament zu tragen – nicht nur in ihrem Widerspruch gegen AfD und Union, sondern auch im eigenen Regierungshandeln. Dazu würde gehören, das Bekenntnis zu einem modernen Einwanderungsland selbstbewusst für sich stehen zu lassen – statt es mit massiven Grundrechtseingriffen und Abschreckungsmaßnahmen gegenüber ­Geflüchteten direkt wieder zu untergraben.

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leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

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