Wie viele bei den Demos gegen Rechts?: Zählen gegen Rechtsextremismus

Wie viele Menschen sind auf den Demos? Die Ver­an­stal­te­r:in­nen schätzen die Zahlen höher, die Polizei niedriger. Wie kommt das?

DemonstrantInnen stehen dicht gedrängt mit Flaggen und Schildern vor dem Bundeskanzleramt in Berlin

Wie viele denn jetzt? 350.000 zählten die Veranstalter, 100.000 zählte die Polizei Foto: Carsten Koall/dpa

BERLIN taz | „Wir sind 350.000 Menschen gegen rechts“, schallte es am vergangenen Sonntag über den Platz vor dem Reichstag. Laut der Berliner Polizei seien dagegen nur 100.000 Menschen auf der Kundgebung „Zusammen gegen rechts“ gewesen. Warum stimmen die Zahlen nicht überein? Und wer hat Recht?

„Es gibt nicht das eine richtige System, um Demoteilnehmer zu zählen“, sagt Bewegungsforscher Dieter Rucht. Die Diskrepanz zwischen den Zahlen der Polizei und denen der Veranstalter beschäftigt ihn seit mehr als 15 Jahren.

Bilder von oben, Videos oder Personen, die die Demo ablaufen und mitzählen – all das kann helfen, die Menschenmasse einzuschätzen. Die Pressestelle der Berliner Polizei gibt an, dass sie für die Demo vor dem Bundestag Referenzkarten und Luftbilder nutze.

„Wir zählen oft tatsächlich alle Menschen mit Hilfe von Zählgeräten, doch das war an diesem Tag nicht mehr möglich, wenn so viele Menschen demonstrieren“, sagt ein Mitorganisator von Fridays for Future Berlin. Stattdessen berechneten sie die Kapazitäten der Fläche vor dem Reichstagsgebäude und den Seitenstraßen. Pro Quadratmeter gehen sie von 2,2 Personen aus.

Wie eng stehen die Menschen beieinander?

In München soll es noch voller gewesen sein, hier rechneten die Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen mit 2,9 Personen pro Quadratmeter. Die Kundgebung am Siegestor am vergangenen Samstag hat die Polizei aufgrund des hohen Andrangs abgebrochen. Auch dort liegen die geschätzten Teilnehmerzahlen zwischen 100.000 und 320.000.

„Vor der Bühne, wenn es zu Gedränge kommt, können auch mal bis zu drei Personen auf einem Quadratmeter stehen, aber das ist schon eher der Extremfall“, sagt Rucht. Nicht überall ist das Gedränge gleich groß, besonders an den Rändern von Kundgebungen, sei meist mehr Platz. Für seine Forschung nehme er den Mittelwert zwischen den Polizeizahlen und denen der Veranstaltenden.

Auf beiden Seiten läge die „Fehlerquote“ laut Soziologe Sebastian Haunss bei etwa 20 Prozent. Auf Kundgebungen, die an bekannten Orten stattfinden, seien Vergleiche einfacher. Je mehr sich die Menschen in Seitenstraßen verteilen, desto schwieriger werde die Übersicht. „Sowohl die Polizei als auch die Veranstaltenden haben ein systematisches Interesse daran zu über- oder unterschätzen“, sagt Haunss.

Der traditionelle Grund der Polizei, niedrigere Angaben zu machen, sei, dass sie nicht zugeben wolle, mit zu wenigen Kräften vor Ort gewesen zu sein. Bei linken Demos, bei denen die Polizei selbst als Partei auftritt, nenne sie niedrigere Zahlen, um die Relevanz der Demo zu mindern.

Die Veranstaltenden nennen umgekehrt gern höhere Zahlen, um mehr Aufmerksamkeit für ihre Forderungen zu erhalten. Sie müssen laut Rucht besonders aufpassen, wenn sie Zahlen durchgeben. Denn sie dürften „ihre Glaubhaftigkeit nicht verlieren. Wenn zur nächsten Demo plötzlich viel weniger Person kommen, nützt es der Bewegung nichts“, sagt Rucht.

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