Der Wochenendkrimi
: Wahres Märchen

„Tatort: Scheherazade“ So, 20.15 Uhr, ARD

Manchmal ist das deutsche Fernsehen sonderbar schweigsam. Erstaunlich, wie wenig den Machern im fiktionalen Bereich zur kollektiven Verunsicherung nach dem 11. September eingefallen ist. Das ZDF ließ Max Färberböck in „September“ vor dem Hintergrund des Terrorszenarios deutsche Wohlstandszipperlein ins Monströse aufblasen, beim NDR-Tatort zeigte man in einer (vor den Anschlägen konzipierten) Folge eine Flugzeugentführung. Überzeugend nahm sich des Themas nur Elmar Fischer mit „Fremder Freund“ an, der von der schleichenden Radikalisierung eines Studenten erzählt. Die 600. Folge des „Tatorts“ schließt nun im gewissen Sinne an Fischers viel zu wenig beachtetes Fernsehspiel an: Es sucht die verstörende Kraft des Islamismus in der direkten Nachbarschaft, ohne gängigen Dämonisierungsmustern zu verfallen.

Inga Lürsen (Sabine Postel; Foto: mit Filmtochter Camilla Renschke) befindet sich in einem Verhör, da platzt eine junge Frau (Esther Zimmering) ins Büro und behauptet, ihr Freund sei in den Anschlag aufs World Trade Center verwickelt gewesen, nun habe man ihn ermordet. Die Kommissarin kennt die Kleine, sie ist eine Märchenerzählerin. In der Wohnung findet sich keine Leiche, für Lürsen ist der Fall erledigt. Ihr Kollege (Oliver Mommsen) erkennt indes, dass zumindest ein Teil der Geschichte wahr sein muss.

„Scheherazade“ (Buch: Christian Jeltsch, Regie: Peter Henning und Claudia Prietzel) kommt als Paranoia-Thriller daher. Der Bremer „Tatort“ belässt das Ungeheuerliche im Bereich des Möglichen und streift dabei geschickt einige Verschwörungstheorien. Der Zuschauer wird damit alleine gelassen, das ist nun mal so beim Paranoia-Thriller. Für die gelegentlich etwas bräsige Krimi-Reihe ist das eine gute Jubiläumsfolge: verstörend, provokant, auch mal enervierend. CHRISTIAN BUSS