Mutmaßliche NSU-Helferin: Anklage gegen Zschäpe-Vertraute

Susann Eminger war die engste Vertraute der NSU-Terroristin Zschäpe. Nun klagt die Bundesanwaltschaft sie doch noch wegen Terrorhilfe an.

Schild der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe

Tatverdacht hat sich offenbar erhärtet: Bundesanwaltschaft erhebt Klage gegen Susann Eminger Foto: Christoph Schmidt/dpa

BERLIN taz | Lange sah es aus, als könnte Susann Eminger straffrei davonkommen. Dabei war die Sächsin die engste Vertraute von Beate Zschäpe. Sie half ihr noch bei der Flucht, als der „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) im November 2011 aufflog. Nun erhob die Bundesanwaltschaft doch noch Anklage gegen sie.

Susann Eminger und ihr Mann André Eminger begleiteten das 1998 abgetauchte NSU-Trio Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt über Jahre, als dieses in Zwickau lebte. Immer wieder gab es wechselseitige Besuche, beide Frauen besuchten Stadtfeste oder Cocktailabende. Das Trio schenkte der Familie Eminger auch einen Besuch ins Disneyland Paris. Zugleich nutzte Zschäpe Susann Eminger als einen ihrer Alias-Namen. Als der NSU im November 2011 aufflog, fuhr André Eminger Zschäpe nach Chemnitz zum Bahnhof, von wo aus diese flüchtete. Susann Eminger gab ihr Wechselkleidung.

Die Bundesanwaltschaft wirft Susann Eminger nun vor, Zschäpe mehrmals auch ihre Krankenkassenkarte überlassen zu haben, damit die Rechtsextremistin Arzttermine wahrnehmen konnte. Auch für Bahncards habe sie ihre Personalien zur Verfügung gestellt. Zudem sei Susann Eminger mit ihrem Mann André und Uwe Böhnhardt Ende Oktober 2011 zu einer Ausleihstation gefahren, um ein Wohnmobil anzumieten, mit dem der NSU seinen letzten Raubüberfall verübte.

Die Bundesanwaltschaft wirft der Mittvierzigerin die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung sowie Beihilfe zu einer schweren räuberischen Erpressung mit Waffen vor. Verhandelt werden soll ihr Prozess vor dem Oberlandesgericht Dresden. Gegen Susann Eminger war bereits seit Auffliegen des NSU ermittelt worden. Lange Zeit sah es so aus, als würde das Verfahren eingestellt. So waren im September 2022 bereits Ermittlungen gegen fünf weitere mutmaßliche NSU-Helfer eingestellt worden. Gegen Susann E. und drei weitere mögliche Helfer wurde damals aber weiter ermittelt.

Offenbar neue Erkenntnisse zu Susann Eminger

Gegen Susann Eminger habe sich der Tatverdacht nun „nach neueren Erkenntnissen weiter erhärtet“, teilte die Bundesanwaltschaft am Mittwoch mit. Welche das sind, wollte eine Sprecherin auf Nachfrage nicht sagen. Offenbar wurden die bisherigen Erkenntnisse nochmal zusammengeführt und so bewertet, dass ein hinreichender Tatverdacht gegen Susann Eminger angenommen wird. Festgenommen wurde sie bisher nicht.

Der Grünen Rechtspolitiker Konstantin von Notz sagte der taz am Mittwoch zur Anklage: „Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Terrorserie des NSU nicht vollständig aufgeklärt ist, insofern begrüßen wir, dass der Generalbundesanwalt sich zu der Anklage entschlossen hat.“ Er hoffe, dass dies „ein weiterer Schritt“ sei zu mehr Klarheit für die Opfer und Angehörigen.

Seine Parteikollegin Irene Mihalic nannte es „bemerkenswert“, dass sich der GBA solange Zeit für die Anklage ließ. Der andauernde Schwebezustand in dem sich die Ermittlungen zum NSU-Umfeld befunden hätten, habe auch die parlamentarische Aufarbeitung ausgebremst weil die Akten unter Verschluss blieben. Mihalic forderte am Mittwoch: „Wir müssen die Hintergründe vollständig aufarbeiten, nicht nur juristisch sondern auch parlamentarisch.“

Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt hatten nach ihrem Abtauchen 1998 in Thüringen versteckt in Chemnitz und Zwickau gelebt. Von 2000 bis 2006 erschoss der NSU neun Menschen mit Migrationsgeschichte, 2007 dann eine Polizistin in Heilbronn. Zudem verübte die Gruppe drei Sprengstoffanschläge in Nürnberg und Köln und 15 Raubüberfälle.

Am 4. November 2011 hatten sich Böhnhardt und Mundlos nach einem gescheiterten Bankraub in Eisenach in einem Wohnmobil erschossen. Zschäpe zündete anschließend die Wohnung des Trios in Zwickau an und verschickte eine Bekenner-DVD des NSU. Nach vier Tagen Flucht stellte sie sich der Polizei. 2018 wurde Zschäpe vor dem Oberlandesgericht München zu einer lebenslangen Haftstrafe mit besonderer Schwere der Schuld verurteilt. Sie sitzt ihre Strafe derzeit in der JVA Chemnitz ab.

Mitverurteilt wurden in München drei Helfer des NSU – einer davon André Eminger. Er erhielt eine zweieinhalbjährige Haftstrafe, weil auch er für das Trio Bahncards besorgt und Wohnmobile angemietet hatte. Die Bundesanwaltschaft hatte damals jedoch 12 Jahre Haft gefordert und nahegelegt, dass Eminger auch der vierte Mann des NSU gewesen sein könnte. Dessen eigener Verteidiger nannte Eminger einen „Nationalsozialist mit Haut und Haar“.

Zweifel an Ausstiegswillen von André Eminger

Auch Susann Eminger war in der rechtsextremen Szene aktiv und soll an Treffen der inzwischen verbotenen „Artgemeinschaft“ teilgenommen haben. Im NSU-Prozess in München wurde sie als Zeugin geladen und verweigerte die Auskunft. Ein Opfer eines NSU-Bombenanschlags 1999 in Nürnberg, wollte Susann Eminger auch auf einem Polizeifoto wiedererkannt haben. Dieser Punkt ist aber nicht Teil der aktuellen Anklage der Bundesanwaltschaft.

André Eminger befindet sich seit anderthalb Jahren in einem sächsischen Aussteigerprogramm. Er will dem Rechtsextremismus angeblich abgeschworen haben. Nicht nur die Angehörigen der NSU-Opfer haben daran Zweifel. Zum NSU-Helfernetzwerk wird nach der Anklage gegen Susann Eminger nur noch gegen zwei weitere Männer ermittelt, Pierre J. und Herrmann S. Sie sollen in Zwickau dem Trio eine Pumpgun verschafft haben. Die Ermittlungen gegen den zuletzt noch Beschuldigten André K., der Spenden für das Trio sammelte, waren im Frühjahr 2023 eingestellt worden.

Aktualisiert und ergänzt am 28.02.2024 um 13: 45 Uhr. d. R.

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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