Heimspiel statt Buhrufe

SOUL MAN Der heimgekehrte Bremer Soulmusiker Flo Mega kommt mit seiner Band für zwei Konzerte in den Schlachthof, wo man ihn einst ausgebuht hat. Ein Porträt

„Vor vielen Jahren bin ich im Schlachthof auf einem HipHop-Slam aufgetreten und wurde ausgebuht, weil ich scheiße war“

Flo Mega

VON JENS LALOIRE

2011 war das Jahr des Florian Bosum: jede Menge gut besuchter Konzerte, ein zweiter Platz bei Stefan Raabs Bundesvision Songcontest und ein erster Platz bei der Wahl zum Album des Jahres der Radio-Bremen-Vier-Hörer. „Der Zug rollt“, sagt der Sänger mit der markanten Soulstimme, der besser unter seinem Künstlernamen Flo Mega bekannt ist und seit März erneut mit der Soul-Funk-Band The Ruffcats deutschlandweit unterwegs ist, um seinem Publikum „Die wirklich wahren Dinge“ nahezubringen, sein im Oktober letzten Jahres erschienenes Album.

Nach Köln, München und Potsdam kommt Flo Mega, am Wochenende nach Bremen, um an zwei Abenden hintereinander Freunde und Freundinnen des deutschsprachigen Souls zu beglücken. Die beiden Konzerte in Bremen sind für den 32-Jährigen etwas Besonderes: Hier ist er aufgewachsen, hier hat er seine ersten Bühnenerfahrungen gesammelt und hier hat er vor einer Weile wieder seine Zelte aufgeschlagen, nachdem ihm sein Berlinabstecher nicht so gut bekommen war. „Ich bin nach Berlin gegangen, weil ich wusste: Ich muss raus. Aber inzwischen habe ich meine Berlinlektion gelernt.“ Deshalb ist er jetzt zurück in seiner Heimat, die er letztes Jahr beim Bundesvision Songcontest in Köln vertrat. Sein zweiter Platz, vor Konkurrenten wie Thees Uhlmann, Jupiter Jones oder Bosse, war sicherlich eine Überraschung, doch mit „Zurück“ präsentierte Flo Mega eine Ballade mit ohrwurmverdächtigem Refrain: „Ich bin zurück / Von dort, wo der Pfeffer wächst / Zurück, Baby / Zurück vom Asphalt zum Mount Everest.“

Ganz so weit oben ist er noch nicht, aber es geht rasant bergauf. Die zwei inzwischen fast ausverkauften Konzerte im Schlachthof sprechen eine deutliche Sprache. Da hat er am gleichen Ort schon ganz andere Dinge erlebt. „Vor vielen Jahren bin ich im Schlachthof auf einem HipHop-Slam aufgetreten und wurde ausgebuht, weil ich scheiße war.“

HipHop war einige Jahre seine musikalische Heimat, daneben trat er in der Poetry-Slam-Szene in Erscheinung. Bei Meister Propper konnte er sich ausprobieren, seine „kindlich-anarchistische“ Ader ausleben und die ersten Preise abräumen. Auf der Bühne entwickelte er einen Ehrgeiz, den er sonst nicht von sich kannte: „Bei meiner Performance war ich schon ziemlich auf Sieg getrimmt – sonst in der Gesellschaft nicht. Da habe ich viel abgebrochen.“ Ob Kunststudium oder irgendwelche Jobs, eigentlich stand immer die Musik im Fokus, sodass er sich entschied, alles auf die Musik zu setzen: „Ich habe mir gesagt, ich gehe meinen Weg. Und entweder werde ich erkannt oder ich beiße ins Gras.“

So schlimm kam es nicht, aber die Entscheidung für das Showbiz führte nicht auf geradem Wege zum Erfolg, sondern erst mal in eine prekäre Künstlerexistenz, die er in seinem Song „DDR“ verarbeitet hat: „Ich lebe an der Armutsgrenze / Gleich neben dem gelobten Land / Beantrage ein Visum fürs Paradies und ’ne Greencard fürs Schlaraffenland.“ Dass gerade dieser Song so groovt, zeigt, dass Flo Mega die Krisen seines Lebens produktiv in tanzbare Soulmusik zu transformieren versteht. „Der Soul ist für mich eine sehr emotionale Musik“, und die nutzt er auch für kritische Töne: „Ich habe keine Zeit für Gesellschaftsspiele / In einer Welt, bestehend aus Geld und Kriegen“.

Für mehrere Lieder war die Suche nach der richtigen Frau der Motor, wie in „Durchgemacht“, wo es heißt „Ich hab durchgemacht / Damit ich nicht erwache und sehen muss / dass du nicht mehr neben mir liegst.“ Inzwischen habe er eine wunderbare Frau an seiner Seite, aber das Sexuelle sowie das Verlangen nach Anerkennung seien natürlich große Antriebskräfte. Bei seinen Fans findet er diese Anerkennung, denn sie feiern seine energiegeladenen Liveauftritte mit viel Lob und Applaus. Diesen Zuspruch empfindet Flo Mega als Bestätigung für seine Musik, seine eigenwillige Art sowie seine Bereitschaft, auch mal von der Strecke abzukommen. Die beiden Schlachthofkonzerte dürften Heimspiele ohne Buhrufe werden, denn wie auch immer sein Auftritt damals auf dem HipHop-Slam gewesen sein mag, heute ist er ganz sicher nicht mehr, pardon, „scheiße“, sondern höchstens „heißer Scheiß“.

■ Samstag & Sonntag, 20 Uhr, Schlachthof