Körper, sich der Trance entgegenschaukelnd

AUSSTELLUNG Der peruanische Künstler David Zink Yi zeigt in der n.b.k. eine Fotoserie mit Aufnahmen menschenleerer Parks und die Videoinstallation „Horror Vacui“. Hier werden Filmaufnahmen einer Band und ein synkretistisches Ritual miteinander verschränkt

Die Parks liegen verdächtig ruhig da. Wahrscheinlich lauert der irre Killer schon

Gut aufgepasst im Bio-Leistungskurs? Im menschlichen Auge gibt es zwei Zellentypen, die Zapfen, mit denen man tagsüber alle Farben des Regenbogens wahrnimmt, und die Zäpfchen, die für das schwarz-weiße sogenannte Dämmerungssehen zuständig sind. Der aus Lima stammende Künstler David Zink Yi hat beide genutzt: Seine Fotoserie „Twilight Images“ zeigt einen der vielen Parks der kubanischen Hauptstadt Havanna bei Nacht.

Die schwarz-weißen, menschenleeren und verschatteten Bilder sind in der Galerie n.b.k. jedoch bei Tag zu sehen. Das Sonnenlicht scheint sogar durch die Auslassungen in den Ausstellungswänden hindurch, in die die Fotos eingepasst sind, und wärmt die verlassenen Orte nachträglich auf. Ohnehin wird es auch nachts warm gewesen sein, als Zink Yi mit der Kamera durch den Park wanderte. Man sieht den stillen Plätzen mit ihren weißen Mauern, den trockenen Brunnen und den geisterhaften, von Bäumen und Sträuchern stammenden Schatten an, dass sie tagsüber reich bevölkert waren. Vielleicht bergen sie, wie viele öffentliche Parks in den Metropolen der Welt, nachts die typischen Risiken. Vielleicht sind sie für Drogenhandel und Überfälle die erste Adresse am Platze.

Aber auf den Bildern liegen sie ganz ruhig da, so verdächtig ruhig, dass eigentlich gleich entweder ein Monster (Vampir, Werwolf, Zombie) oder mindestens ein irrer Killer aus der Finsternis auftauchen müsste – wenn Zink Yi den Park als Filmset gewählt hätte. Oder die an krallenartige Fantasiegestalten erinnernden Schatten erwachen zum Leben und machen den kleinen Kindern in den umliegenden Häusern das Schlafen schwer. Zink Yi kann seine Eindrücke auf viele Arten wiedergeben: Der 40-Jährige, der unter anderem in Berlin und München studierte, hat in seinem aktiven Künstlerleben Skulpturen gemacht, Fotos, Installationen, Filme.

Die n.b.k. zeigt neben den gleichgroßen Schwarz-Weiß-Bildern in einem separaten Raum die Videoinstallation „Horror Vacui“ von 2009. Auf zwei über Eck liegenden Leinwänden werden hier Filmaufnahmen projiziert: Zink Yi hat die Proben einer Latinband gefilmt, bei der er selbst mitmacht, und afro-kubanische Rituale namens Cajon, Tambor Batá und Wiro.

Cajon heißt so nach dem Schlaginstrument gleichen Namens, einer Holzkiste, die aussieht, wie eine Hifi-Box aus den 80er Jahren, und die mit den Händen gespielt wird. Ursprünglich trommelten afrikanische Sklaven, die nach Lateinamerika verkauft worden waren, in Ermangelung ihrer echten Trommeln auf den Transportkisten für Fische und Orangen herum. Und so stellt David Zink Yi die Verbindung zu seinem Thema „Identitäten“ her, zu den Nachkommen der Sklaven in Lateinamerika, und deren Ritualen. Vor allem durch synkopische Polyrhythmen zeichnet sich die Musik der Band aus.

Die für marschmusikverhunzte Europäerohren manchmal kaum zu durchdringende Struktur findet sich genauso in den gegenüber gestellten und ebenfalls den meisten unbekannten Ritualen wieder. Zing Yi stellt hohe Anforderungen an die Besucher: Es geht ihm nicht um totgespielte Gute-Laune-Rhythmen, die die Tourismustauglichkeit Kubas beweisen sollen, sondern um die Ähnlichkeiten von Religion und Musik. Bei beiden schaukelt sich der Körper wissentlich und freudig der Trance entgegen. Beide nutzen das Unbewusste und Identitätsstiftende bestimmter Rhythmen.

Seine Kamera wählt dabei feste, solide Standpositionen, oft mit Sicht knapp am Geschehen vorbei, auf Füße, auf die Wände eines kleinen Hauses – das stellt Beiläufigkeit, aber auch Persönlichkeit her: Vielleicht haben die Akteure die Kamera einfach selbst in die Ecke gepflanzt, um ihre Aktionen zu dokumentieren. Dass der Künstler bei der Band De Adentro y Afuera mitmacht, verwischt die Grenzen von außen und innen noch mehr. Und lässt die stark theoretisierten Aussagen gegen das genussvolle kulturanthropologische Interesse ein wenig abstinken. JENNI ZYLKA

■ David Zink Yi, n.b.k. bis 29. April