Volksentscheid schützt auch Volksentscheid

In Berlin sollen die Hürden für Bürgerbeteiligung gesenkt werden. In Hamburg will die CDU sie erhöhen. Ihr geht die liberale Regelung im Musterland der direkten Demokratie zu weit. Die Basis will die CDU stoppen – per Volksentscheid

In Hamburg, der Musterstadt in Sachen „Mehr Demokratie“, hieß es in den vergangenen Wochen wieder: an die Urnen. Grund ist der Versuch des Hamburger CDU-Senats, die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Vorgängerregierung teilweise wieder abzuschaffen.

Nicht irgendein Volksentscheid steht in Hamburg deshalb auf der Tagesordnung, sondern der Volksentscheid „Rettet den Volksentscheid“. Und als wäre das noch nicht genug, gibt es gleich noch den Volksentscheid „Hamburg rettet den Volksentscheid“ dazu.

Was auf den ersten Blick nach demokratischer Spielwiese aussieht, hat tatsächlich einen ernsten Hintergrund. Denn wenn es nach dem Willen der Hamburger CDU geht, sollen die Hürden für Mitbestimmung auf Landesebene in Zukunft drastisch erhöht werden.

So sollen Volksentscheide künftig nicht mehr an Wahltagen stattfinden und auch Stimmen nicht mehr auf der Straße gesammelt werden dürfen. Und das, obwohl gerade Hamburg als erstes Bundesland galt, das Mitbestimmung nicht nur auf kommunaler, sondern auch auf Landesebene eingeführt hatte.

Der Vorstoß der CDU ist auch eine Reaktion auf politische Niederlagen, die ihr die Hamburger Bürger beigebracht haben. Zuletzt stimmten die Hamburger gegen einen Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser an den privaten Klinikbetreiber Asklepios. Doch auch für die Verfechter der direkten Demokratie war dieser Volksentscheid eine Niederlage. Der Hamburger Senat nämlich ignorierte den Volkswillen und verkaufte trotzdem.

Und das Hamburger Verfassungsgericht gab dem Senat sogar Recht. Direkte und parlamentarische Demokratie, hieß es in der Begründung, seien gleichberechtigt. Das letzte Wort aber habe die Exekutive, das sich auch über einen Beschluss der Hamburgischen Bürgerschaft hinwegsetzen dürfe.

Mit ihren beiden Volksentscheiden wollen die Hamburger diese Scharte wieder wettmachen – und verhindern, dass sich Ähnliches in Zukunft wiederholt. Mit der Initiative „Rettet den Volksentscheid“ soll der Versuch des Hamburgischen Senats abgewertet werden, die Hürden für künftige Abstimmungen zu erhöhen.

Mit „Hamburg stärkt den Volksentscheid“ soll darüber hinaus garantiert werden, dass sich der Senat nicht noch einmal über den Willen der Bürger hinwegsetzt. Volksentscheide sollen demnach nämlich bindend sein, auch für die Hamburger Verfassung.

Dass die Hamburger Bürger beides nicht als Spielwiese begreifen, kann im Übrigen als sicher gelten. Bei beiden Urnengängen, gab sich „Mehr Demokratie“-Vorstandsmitglied Angelika Gardiner am Wochenende zuversichtlich, sei die erforderliche Hürde von zunächst 10.000 Unterschriften weit überschritten. UWE RADA