Geschickt und konsequent

Der Gesetzentwurf ist richtig, denn das allgemeine Versammlungsrecht wird davon nicht berührt, eine Verhöhnung der Opfer aber verboten

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Neonazis genießen Grundrechte wie jeder andere auch. Dazu gehört auch ihr Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Und so ärgerlich die Äußerungen auf rechten Aufmärschen auch sein mögen – die bloße Lästigkeit rechtfertigt noch lange kein Verbot.

Die Grenzen der Meinungsfreiheit werden aber dann überschritten, wenn die Verbrechen des Nationalsozialismus verharmlost, verherrlicht und ihre Opfer verhöhnt werden. Und das ist der Grund, warum die aktuelle Gesetzesinitiative der Rechts- und Innenpolitiker der Bundestagsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen nicht nur ein taktisch geschickter, sondern auch ein konsequenter Schritt ist.

Geschickt, weil es Rot-Grün gelungen ist, eine Formulierung zu finden, die das allgemeine Versammlungsrecht an sich nicht berührt. Ihr Gesetzentwurf zielt nämlich zunächst einmal darauf ab, Extremisten leichter bestrafen zu können, die Nazi-Verbrechen verharmlosen und ihre Opfer verunglimpfen. Anders als Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) noch vorgeschlagen hatte, orientiert sich der Straftatbestand daher nicht an den allgemeinen Interessen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, was auch Auswirkungen auf nicht rechte Demonstrationen und Versammlungen hätte, sondern allein an der Menschenwürde der Opfer. Das heißt, dass sich diese Regelung auch nicht im geplanten neuen Versammlungsrecht wiederfinden wird, sondern Rot-Grün bloß das präzisiert, was seit 1994 ohnehin schon im Strafrecht steht.

Nach Paragraf 130 („Volksverhetzung“) gilt nämlich: Wer Auschwitz öffentlich leugnet, verherrlicht oder billigt, muss mit bis zu fünf Jahren Haft oder Geldstrafe rechnen. Weil dies oft aus rechtlicher Unsicherheit, manchmal aber auch aus mangelndem Willen der jeweiligen Versammlungsbehörden nicht geschah, ist der Zusatz, Versammlungen an Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus zu untersagen, daher nur eine konsequente Ergänzung zum geltenden Recht.

Nicht zufällig beginnt Artikel 1 des Grundgesetzes mit dem Satz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ – eine Mahnung an die Verbrechen des Nationalsozialismus. Sicherlich ersetzt die Verschärfung des Strafrechts nicht die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus. Wenn nun aber Neonazis und andere Rechtsextremisten versuchen, mit den Mitteln der Demokratie eben diesen Grundsatz anzutasten, dann ist es doch nur richtig, wenn dieser mit den Mitteln der Gesetze auch verteidigt wird.

Endlich folgen die Gesetzgeber einem Leitspruch, der unter Antifaschisten schon lange Konsens ist. Dass nämlich Faschismus keine Meinung ist, sondern ein Verbrechen. FELIX LEE