Menschen im Übergang

Vom kurvenreichen Anpassungsprozess zweier Loser an die neuen Arbeitsverhältnisse berichtet Markus Mischkowskis und Kai-Maria Steinkühlers sympathische Köln-Komödie „Westend“

von Jana Babendererde

Der Fordismus hat längst ausgedient. Aber die Autos, deren Erbauer den Produktionsverhältnissen ihren Namen gab, fahren immer noch. Die Ford- und Opel-Modelle, mit denen die Antihelden in dem Film Westend herumfahren, stammen aus den 70er Jahren. Damals schien noch alles in Ordnung zu sein im Sozialstaat, auch wenn an seinen Disziplinierungen schon heftig gerüttelt wurde.

Vom eigenen Auto, früher gang und gäbe für jedermann, können Mike und Alfred vorerst nur träumen. Die sterilen Hochhäuser in Köln Ossendorf, zwischen denen sie leben, sind genauso von Gestern wie die Klamotten, die sie tragen. Und ihre Frisuren erst! Auf dem Arbeitsamt, wohin sie sich manchmal zwischen zwei Kölsch schleppen, preisen sie sich mit den hoffnungslos antiquierten Worten an: „Wir haben uns mehr auf Aushilfsarbeiten spezialisiert.“

Aber die beiden Thirtysomethings sind nicht einfach nur ausgespien von einem sterbenden System. Die Filmemacher Markus Mischkowski und Kai-Maria Steinkühler haben sie als Menschen im Übergang modelliert. Dazu haben sie nicht nur die Darstellung der Loser selbst übernommen, sondern die schwarz-weißen Bilder ihrer Komödie genauso geschärft wie die wortkargen Dialoge. In puncto intelligente Zeitdiagnostik kann sich ihr Debüt gefahrlos mit den Filmen von Aki Kaurismäki messen. Dass die Supermarktverkäuferin, für die Alfred schwärmt, Kati heißt, ist nur eine der Verbeugungen vor dem finnischen Regisseur.

Als Westend vor drei Jahren gedreht wurde, waren Ich-AG und Hartz-Konzept noch nicht in aller Munde. Aber man konnte der Realität für ein Drehbuch schon längst Sätze abschauen, in denen sich der Prolet als Unternehmer begreift: „Wir ham schon was Lukratives in Aussicht“, weisen Mike und Alfred das Jobangebot ihres alten Kumpels Rasto zurück. Um an das Startkapital für sein Ein-Mann-Unternehmen zu kommen, hat Rasto windige Wege gefunden. Darum wird den dreien später ein Sturm um die Ohren pfeifen, inklusive mafiöse Sonnenbrillen, Geldkoffer und Schusswaffen.

Doch erst mal betreibt Rasto wenig mehr als einen Schwarzhandel mit Filofaxen und nennt das in Neu-Sprech „Produktmanagement, Außendienst, Immobilien, Konsumartikel, was halt so anfällt“. Eine heruntergekommene Bretterbude im Nirgendwo – liebevoll „Filetstück aus meinem Immobilienfundus“ genannt – soll mit Hilfe des Loser-Duos zur florierenden Trinkhalle werden. Unter der Macht von „10 Mark pro Stunde plus Umsatzbeteiligung“ und zwei Mofas legen Mike und Alfred dann doch die erforderlichen Kapriolen zeitgenössischer Dienstleister hin: „Guten Tag, mein Name is‘ Alfred Schmidt, was kann ich für Sie tun?“

Kaum sieht Alfred sich zu kreativer Eigenleistung aufgefordert, gehen schon die Pferde der immateriellen Arbeit mit ihm durch: „Was die Wand da angeht, da wär ich für ‚ne flexible Regalkombination, weil da die frei stehenden Sektionen auch als Raumteiler verwendbar sind.“ Und waren Mike und Alfred unzertrennlich, als sie noch arbeitslos waren, sorgen jetzt die Hierarchien der neuen Arbeitsweise für eine zunehmende Entfernung zwischen den beiden.

Bis Alfred und Mike sich entschließen, wie gewohnt gemeinsame Sache zu machen, der Ausbeuter abgestraft ist und die beiden ihr stündliches Küppers Kölsch endlich wieder zusammen einnehmen, zünden Mischkowski und Steinkühler eine Reihe von zeitversetzt wirkenden Gags. Die sanfte Druckwelle, die von ihnen ausgeht, erfasst aber nicht die Figuren, sondern die Verhältnisse, unter denen sie leben. Solche deutschen Komödien möchte man häufiger sehen.

18.–23.12., 22 Uhr; 25., 26. + 29.12., 18 Uhr; 3001 Kino