zwischen den rillen
: Bruderschaft der Bärte

Postpathetischer Glamcockrock: The Darkness und Kings of Leon arbeiten auf ihren neuen Platten hart an der Männerrolle

Es ist wahrscheinlich nicht leicht, als Mann in Zeiten wie diesen ein Rollenmodell zu finden, mit dem man einigermaßen durchs Leben kommt. Besonders wenn man zurückdenkt, beschleicht einen das Gefühl, als wären alle Möglichkeiten schon einmal ausprobiert und aus guten Gründen wieder verworfen worden: Der schwitzende Macho, der zornige Rebell, der Cockrocker hier, der Glamrocker mit seiner Abwicklung eindeutiger Geschlechteridentität, der Punk, der seinen Körper eher komisch findet, da.

Dass das Davor und das Danach schon stattgefunden haben und dass man heute, nach dem Danach, eigentlich wieder das Beste aus Beidem herauspicken kann – das werden sich auch The Darkness gedacht haben, als sie ihre kleine britische Heimatstadt verließen und nach London zogen, sich Dauerwellen und Rotzbremsen zulegten, sich in ihre getigerten Spandex-Einteiler mit Penisabdruck zwängten und in dieser Aufmachung die Bühne der Welt betraten. Mit ihrem Debüt-Album „Permission to Land“ erklären sie sich nun zum Hype der Stunde.

„Get your hands off my woman motherfucker“, schreit Justin Hawtins exaltiert und knüpft mit dieser wohl geordneten Männerfantasie an den Heavy Metal an, dieses ehrlichste aller Genres, das gegen die Regeln der durchrationalisierten Gesellschaft ein Beharrungsvermögen beweist wie kein anderes. Dann singt Justin Hawtins allerdings von einer alten Schulliebe, die ebenso uncool war wie er selbst: „I got ping pong on wednesday, needlework on Thursday, dancing on a friday night.“ Handarbeiten am Donnerstag? Rock ’n’ Roll und Häkeln? Dieser Schwermetaller ist mit einer Schrillness gesegnet, wie man sie wohl nur in England mit seinem lebendigen Glamrockerbe findet.

The Darkness zitieren beides: Old und New British Heavy Metal auf der einen Seite, Gary Glitter und Queen auf der anderen. Mal klingen sie geerdet und bräsig, Stimme, Gitarre und Schlagzeug halten denselben baumstarken Rhythmus, es geht ums Wegrennen und Freisein, um Liebe auf Steinen und mit sich selbst, der gute, alte Kern des Rockrebellentums. Dann auf einmal aber hebt es plötzlich ab – im dazugehörigen pompösen Videoclip kommt an diesen Stellen das Raumschiff ins Spiel –, Justin Hawkins’ anbetungswürdige Falsettstimme überschlägt sich, die Gitarre wird immer hysterischer, süßer die Chöre nie klangen, Brust raus, Bauch rein – okay, Vollgas.

Das ist lustig, das ist prima Postparodie, und irgendwie ist es sogar noch ein Stück mehr. The Darkness sind nicht nur eine Lachnummer, eine Art Schlechtival, das jeder versteht, sie haben auch eine CD gemacht, auf der die Rollenklischees sich zerfetzen, während das Subjekt daneben steht und sich freut, wie klug es doch im Rückblick geworden ist. Kein epigonales Mythenrecycling also, sondern eine Platte, die man sich sogar freiwillig anhört und dazu glücklich durch die Küche tanzt.

Hinter dieses ausgeklügelte Konzept von The Darkness fallen die Kings of Leon mit ihrem Album „Youth & Young Manhood“ auf den ersten Blick zurück. Allein, wie sie in ihren Videos auftreten, diese drei Brüder und ihr Cousin aus Nashville: Mit Rotzbremsen, noch keimiger als die von The Darkness, echten Bikerfrisuren, zerschlissenen Jeans und T-Shirts. Dann diese Stimme von Caleb Followill. Sie klingt, als hätte er noch einen Hamburger im Hals. Kaum aus dem Stimmbruch (der jüngste King of Leon ist 16, der älteste 23) und schon so viel Testosteron wie ein Redneck.

Die Musik der Kings of Leon ist eine dumpfe Mischung aus Straßenstaub, „Unsere kleine Farm“, Country also und Siebzigerjahrerock. Die trotzdem irgendwie charmante Einfachheit ihrer unaufgesetzten Songs hat ihnen auch den Titel eingebracht, die Strokes der Südstaaten zu sein. Textlich haben sie sich ungefähr auf das misogyne Niveau der frühen Rolling Stones eingependelt: Da gibt es Songs über die Vorlieben und Abneigungen des „little red rooster“, über Vergewaltigungsfantasien und Frauenmord. Also zurück zu den wahren Werten des Rock?

Auch das. Schaut man sich die Mythologie der Kings of Leon aber genauer an, schleicht sich ein Verdacht ein. Ihr Vater Leon, der Namenspatron, soll einmal ein Hippie gewesen sein, bevor er Wanderprediger wurde, eine Kirchenmusikern heiratete und seine Familie zwang, vierzehn Jahre aus dem Kofferraum des Autos zu leben. Und wie heißt es in einem Stück? „I‘ll be prancin around in my high heels.“ Ein Transvestit! Also doch!

Es kann also nur so sein: Wer ein Kind eines echten Hippies ist, der weiß, was Männerklischees vor 1970 waren, der weiß aber auch, dass das, was die Hippies dagegen auszurichten hatten – Frieden und Liebe und so – nicht immer das Gelbe war. Jetzt geht es darum, jenseits von Beidem etwas Neues zu finden. Und sollten die Kings of Leon es tatsächlich doch nicht ironisch meinen, dann schaue man sich einfach mal ihr viel gespieltes Video an. Dann wird einem schnell klar, dass es nicht immer die Band ist, die darüber zu entscheiden hat, ob sie gebrochen rüberkommt oder nicht. SUSANNE MESSMER

The Darkness: „Permission To Land“ (Eastwest); Kings of Leon: „Youth & Young Manhood“ (BMG)