Die Mutter der Trolle

Mit Nilpferdfiguren wurde sie berühmt. Zwei Ausstellungen erinnern an die Bilderwelten der finnischen Autorin Tove Janson

VON KATHARINA GRANZIN

Ob sie wohl extra aufgeräumt hat, bevor der Fotograf kam? Wenn man den Ausstellungsraum des Finnland-Instituts gegenüber dem Bahnhof Friedrichstraße betritt, steht man ihr direkt gegenüber: Tove Jansson, die uns, inmitten ihres auffällig geordnet wirkenden Ateliers stehend, mit ausgebreiteten Armen empfängt.

Auf dem großformatigen Schwarzweißfoto tummeln sich hinter der zierlichen alten Dame, unauffällig im Raum verteilt, einige Muminfiguren auf Regalen und Tischen. Sie hat noch vieles andere gezeichnet und geschrieben in ihrem Leben, doch als Schöpferin der nilpferdnasigen Mumintrolle und ihrer Freunde wurde sie zur Legende.

Als sie im Jahr 2001 starb, widmete die Zeitung Hufvudstadsbladet, das wichtigste Presseorgan der schwedischsprachigen Minderheit in Finnland, ihrem Nachruf eine ganze Ausgabe. Die berühmteste Finnlandschwedin seit Sibelius wurde 86 alt.

Die Tochter eines Künstlerpaars hatte früh zu zeichnen begonnen. Mit 15 schmiss sie die Schule, im Alter von 18 war sie schon eine gefragte Grafikerin. Der erste kleine Mumin erschien als Randfigur auf einer Anti-Hitler-Karikatur aus den Dreißigerjahren und tauchte von da an immer öfter als eine Art Signatur auf Karikaturen auf, die Jansson für Zeitungen anfertigte. Die Mumin-Comicstrip-Serie, die sie ab 1954 wöchentlich für die britische Zeitung Evening News verfasste und die in weiteren vierzig Ländern nachgedruckt wurde, ist die erfolgreichste finnische Comicserie aller Zeiten.

1945 erschien das erste Muminbuch auf Schwedisch (auf Deutsch unter dem Titel „Mumins lange Reise“ erhältlich) – im selben Jahr, in dem Astrid Lindgren ihr erstes Pippi-Langstrumpf-Buch veröffentlichte. In Finnland und Schweden erlangten Tove Jansson und ihre Figuren eine immense Popularität, die derjenigen von Astrid Lindgren und ihren literarischen Schöpfungen gleichkam. Als ein Jahr nach Janssons Tod auch noch Lindgren starb, schien damit eine ganze Ära der schwedischsprachigen Kinderliteratur zu Ende gegangen zu sein. Auch in Deutschland wurde der Tod Astrid Lindgrens tief betrauert. Der Tod von Tove Jansson wurde dagegen eher nebenbei wahrgenommen. Während mehrere Generationen von deutschen Kindern mit Lindgren-Figuren und -Geschichten aufgewachsen sind, ist es den Mumins nicht in gleicher Weise gelungen, Teil des kollektiven Bewusstseins zu werden – trotz zahlreicher Übersetzungen und Fernsehadaptionen

Unter den heutigen Kindern tendiert der Bekanntheitsgrad der Trolle gegen null. „Mumin? Ja, klar, kennen wir – sagen die Kinder, wenn man sie fragt“, erzählt Ilka Sonntag vom Verein Kulturhus Berlin e.V. „Das sind doch die mit den vielen Verbänden um sich rum, die aus ihren Gräbern aufstehen und so.“ Missverständnissen dieser Art soll nun mit einer Veranstaltungsreihe abgeholfen werden, die Kulturhus Berlin zusammen mit dem Finnland-Institut auf die Beine gestellt hat.

Da Tove Jansson eine Autorin ist, die sowohl Kinder als auch Erwachsene anspricht, gibt es Programmteile für Zielgruppen unerschiedlichen Alters. Während die Fotoausstellung im Finnland-Institut mit Bildern von Tove Janssons Bruder Per Olov und dem schwedischen Fotografen Carl Gustaf Hagström eher für Erwachsene gedacht ist, sollen die Kinder von der Mitmach-Ausstellung „Schweben – Träumen – Leben“ angesprochen werden, die als Wanderausstellung durch die Stadt ziehen wird (und anschließend möglicherweise durch andere Städte) und zuerst in der Gelben Villa in Kreuzberg Station macht.

Sie besteht aus mehreren begehbaren Mumin-Möbeln, einem Haus, einem Schiff, einem Puppentheater, und Dingen zum Anfassen, Ausprobieren und Vorlesen. Haptische Mumin-Bilder sollen auch sehbehinderten Kindern einen sinnlichen Zugang zur Welt der Figuren ermöglichen, eine bunte Frühlingswiese kann als großes Puzzle gelegt werden, und Mumins Fußspuren werden bei den Vorlesestunden zu Sitzkissen. Jeden Mittwochnachmittag gibt es ein Trollmärchen, und während der Osterferien werden Mumin-Bastelworkshops angeboten, bei denen die schönsten Kreationen sogar prämiert werden.

Ein besonderes Erwachsenenevent findet am heutigen Mittwochabend im Felleshus der Nordischen Botschaften statt. Im Rahmen des Nordischen Filmklubs sind dort die beiden wichtigsten schwedischen Dokumentarfilme über Tove Jansson sowie Ausschnitte aus dem neuen finnischen Animationsfilm „Moomin and Midsummer Madness“ zu sehen. Alle Filme werden nach Angaben der Veranstalter zum ersten Mal in Deutschland gezeigt – im Original mit englischen Untertiteln.

Fotoausstellung „Tove Jansson in Bildern“ im Finnland-Institut, Georgenstr. 24. Bis 30. 4., Mo. 10–17, Di.–Do. 11–19, Fr. 9–15 Uhr; Mumin-Wanderausstellung in der Gelben Villa. Bis 17. 4., Di.–Do. 13–17 Uhr; Tove-Jansson-Filmabend: 25. 3., 19 Uhr, im Felleshus der Nordischen Botschaften; weitere Infos: www.kulturhus-berlin.de/mumin