Die Menschheit stirbt schneller

UN-Weltbevölkerungsbericht mit Schreckensprognosen: Reiche Länder in Europa überaltern rascher, arme Länder inAfrika werden stärker von Aids bedroht als erwartet. Folge: Die Menschheit wächst insgesamt langsamer als bisher

BERLIN taz ■ Die Weltbevölkerung wächst in den kommenden Jahrzehnten deutlich langsamer als bisher. Gründe hierfür liegen jedoch nicht vorrangig in gesellschaftlichen Fortschritten, sondern ergeben sich aus dem Massensterben durch Aids in Afrika und einen größeren Nachwuchsmangel als erwartet in Europa. Diese Faktoren macht die UNO in ihrem gestern vorgestellten neuen Weltbevölkerungsbericht dafür verantwortlich, dass die Menschheit derzeit nur noch um 76 Millionen Menschen pro Jahr wächst. Mitte der 90er-Jahre betrug der jährliche Zuwachs noch 82 Millionen – ein historischer Höchststand.

Dem UN-Bericht zufolge leben auf der Erde heute rund 6,4 Milliarden Menschen. Bis 2050 werden es 8,9 Milliarden sein. 96 Prozent dieses prognostizierten Bevölkerungszuwachses wird in Entwicklungsländern stattfinden, heißt es. Die Bevölkerungen Europas und Japans nehmen dagegen ab, und die Geschwindigkeit dieses Rückgangs wird sich von 2010 bis 2015 verdoppeln. Weiter wachsen wird die Bevölkerung Nordamerikas, getragen von hohen Einwanderungsraten. „Im Vergleich zu den Projektionen von vor einem Jahrzehnt fallen die heutigen Bevölkerungsschätzungen und Wachstumsprojektionen niedriger aus, vor allem weil die Auswirkungen von HIV/Aids in Afrika schlimmer sind als erwartet und weil das Bevölkerungswachstum in den Industrieländern schneller zurückgegangen ist, als zuvor angenommen wurde“, so der Bericht. In den 38 afrikanischen Ländern, die am meisten von Aids betroffen sind, wächst die Bevölkerung bis 2015 nur um 50 Prozent statt 70 in der Abwesenheit von Aids. Das ist eine Differenz von 91 Millionen Menschen.

Trotz des dramatischen Aids-Effekts werden sich die demografischen Verhältnisse auf der Welt in den nächsten Jahrzehnten grundlegend verändern, prognostiziert die UNO. Bis zum Jahr 2050 wächst Äthiopien von derzeit 72,4 Millionen auf 171 Millionen Menschen, während Deutschland von 82,5 auf 79,1 Millionen Einwohner schrumpfen wird.

In ganz Europa leben laut Bericht 2050 nur noch 631,9 Millionen Menschen gegenüber 725,6 Millionen heute, während die USA von 297 auf 409 Millionen wachsen und Afrika von 869,2 Millionen auf 1,803 Milliarden hochschnellt. Russland wird weniger Einwohner haben als Uganda, das wiederum nur noch knapp von Japan überholt wird; Polen weniger als Somalia.

Der Anteil der über 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung liegt 2050 in Europa bei 28 Prozent gegenüber 13 Prozent heute. Die einzigen Länder Europas, in denen die Bevölkerung nicht schrumpft, sind Großbritannien, Frankreich, die Niederlande, Irland, Norwegen sowie die Balkanstaaten Albanien und Mazedonien. D.J.

ausland SEITE 10