Am liebsten morgen schließen

Es ist teuer, liegt isoliert und kaum betreut: Die Ex-NVA-Kaserne Horst ist ein auch von CDU und GAL ungeliebtes Flüchtlingslager. Nutzungsverträge zwischen Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern laufen aber noch bis 2012

Samir O. ist vor wenigen Wochen 16 geworden und seinem Alter entsprechend nervös, vor der Presse zu reden. „Ich finde Horst genauso wie ein Gefängnis“, sagt er schließlich und ergänzt, dass er während der fünf Monate in der zentralen Erstaufnahmeeinrichtung in Mecklenburg-Vorpommern nicht zur Schule gehen konnte.

Er ist im März 2008 als minderjähriger unbegleiteter Flüchtling von Afghanistan nach Hamburg gekommen und hat sich beim Kinder-und Jugendnotdienst gemeldet. Danach hat er eine Prozedur durchlaufen, wie sie eigentlich nur erwachsenen Flüchtlingen widerfährt: In der Anlaufstelle im Bezirk Nord werden Asylsuchende registriert, zu ihren Reisewegen befragt und einem Bundesland zugeteilt. Flüchtlinge aus Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern wohnen seit 2006 in der ehemaligen NVA-Kaserne in Nostorf/Horst. Hamburg hat mit dem benachbarten Bundesland ein Verwaltungsabkommen getroffen und verwahrt die Neuankömmlinge im ländlichen Grenzgebiet.

Conny Gunser vom Hamburger Flüchtlingsrat kritisiert diese Praxis, da die Betroffenen dadurch isoliert werden. Busse verkehren nur selten, die Fahrt nach Hamburg ist teuer und für Flüchtlinge ohne Sprachkenntnisse kompliziert. Für Sigrid Töpfer vom Republikanischen AnwältInnenverein bedeutet die Unterbringung in Horst außerdem, dass Rechtswege abgeschnitten werden. Laut Norbert Smekal, dem Sprecher der Innenbehörde, organisiert die Stadt Hamburg zwar regelmäßig Sozialberatungen vor Ort. Töpfer berichtet aber, dass keiner ihrer Klienten in Horst eine Rechtsberatung oder einen Dolmetscher bekam. Aufgrund von Übersetzungsproblemen sei es auch schon zu falscher oder fehlender ärztlicher Behandlung gekommen, berichtet Reimer Dohrn von der Initiative „Kein Mensch ist Illegal“.

Die Zustände in Horst sollten nach den schwarz-grünen Koalitionsverhandlungen eigentlich der Vergangenheit angehören. „Wir wollen raus aus Horst“, erklärt Antje Möller, flüchtlingspolitische Sprecherin der GAL-Fraktion. Der Senat sei aber bis 2012 an das Abkommen mit Mecklenburg-Vorpommern gebunden.

Der Rechnungshof hat die Kooperation bereits 2008 aus finanziellen Gründen beanstandet: Da eine Mindestbelegung von 30 Personen vereinbart wurde, kostet das Lager die Stadt über die gesamte Vertragslaufzeit rund 1,6 Millionen. Laut Möller sollen diese Plätze bis zum Vertragsende nur noch für alleinstehende Männer genutzt werden, die Innenbehörde spricht dagegen von kinderlosen Ehepaaren und Einzelpersonen.

Samir O. wohnt inzwischen wieder in Hamburg und besucht eine Gesamtschule. Er war einer der letzten minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge, die in Horst untergebracht wurden. Seit einem halben Jahr hält sich die Stadt an die Jugendgesetze, denen zufolge das Jugendamt Minderjährige in Obhut nehmen muss. Samirs Anwalt Mark Nerling berichtet jedoch, dass viele Jugendliche als älter eingestuft werden. Aus einer kleinen Anfrage der Linksfraktion geht hervor, dass diese Praxis im letzten Jahr bei 75 von 164 neu eingereisten minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen angewandt wurde. Samir könnte in der nächsten Woche erneut Geburtstag feiern. Da wird er laut Ausländerbehörde 17. SWANTJE UNTERBERG