Allahs Geldsegen für Sachsen-Anhalt

Das klamme Bundesland lockt arabische Scheichs mit einer korankonformen Finanzjonglage. Nach Allahs Regeln sind Zinsen verboten. Daran sollten sich deutsche Banken ein Beispiel nehmen, so Ökonomen – der Modernisierung des Staates zuliebe

AUS HAMBURGHERMANNUS PFEIFFER

Mancher Moslem hat als Bankkunde ein ernstes Problem, er darf keine Zinsen kassieren. „Am Zinsverbot besteht kein Zweifel unter islamischen Schriftgelehrten“, sagt Aziz Alkazaz vom Deutschen Orientinstitut. Gute Geschäfte zu machen, ist aber auch strenggläubigen Moslems erlaubt. Das will sich Sachsen-Anhalt nun zu Eigen machen – und mit einem ausgeklügelten, zinslosen Kreditgeschäft die leeren Kassen füllen. „Wir rechnen mit einem großen Erfolg“, sagte der Sprecher des Landesfinanzministeriums, Detlef Thiel, gestern der taz. Mehrere Investoren hätten bereits Interesse geäußert. Um sie vollends zu überzeugen, startet morgen ein detuscher Vertreter zur Werbetour nach Bahrain und Dubai.

In der moslemischen Finanzwelt sind anders als in der westlichen risikolose Renditen untersagt. Statt einen Kredit an einen Betrieb zu vergeben, beteiligt sich die islamische Bank beispielsweise als stiller Gesellschafter. Geht das Geschäft gut, bekommt sie einen Anteil des Profits, geht es schlecht, trägt sie die Miesen mit. „Das islamische Gerechtigkeitsempfinden verlangt eine Verlustbeteiligung des Geldgebers“, sagt Alkazaz, „aber auch die Beteiligung am Gewinn.“ Aktien, Kursgewinne und Dividenden sind durchaus legal. Verpönt sind nur Investments in Firmen, die Schnaps brennen, Tabak verarbeiten oder Panzer und Raketen produzieren.

Auch Martin Luther wetterte einst gegen Wucherer, die fünf(!) Prozent Zinsen nehmen – wie heutzutage alle westlichen Banken. Fast alle Religionen kannten ein striktes Zinsverbot: „Unter Brüdern“ nimmt man kein Geld für (finanzielle) Hilfe. Ökonomen wie Alkazaz halten das auch heute noch für sinnvoll, denn die Inflation werde gebremst, die Macht der Banken beschränkt.

Wirtschaftswissenschaftler Volker Nienhaus hält die islamische Tradition gar für ein „Vehikel der Modernisierung“. Werden Zinsen verboten, finanzierten Banken vor allem neue, Gewinn versprechende Firmen. „Doch verwischen die Unterschiede von konventionellen Banken und Finanzprodukten immer mehr“, bedauert der Präsident der Universität Marburg. Von einigen Islam-Instituten würden selbst hoch spekulative Derivate vorbereitet.

Der Coup von Finanzminister Karl-Heinz Paqué in Magdeburg: Sachsen-Anhalt wird die Nutzungsrechte an Finanzämtern und staatlichen Gebäuden an eine niederländische Stiftung für 30 Jahre verkaufen – und erhält dafür einmalig Geld. Die Stiftung verleast die Räumlichkeiten dann gegen jährliche Mietzahlungen an das Land zurück. Zur Finanzierung des Geschäfts emittiert die niederländische Stiftung Zertifikate, die als „Islamic Bonds“ arabischen Investoren angeboten werden. So bleiben sie ihren Glaubensregeln treu. Es ist die erste islamische Staatsanleihe in Deutschland. 100 Millionen Euro soll sie bringen.

Ein rundum islamisches Geldgewerbe lässt sich nur noch in Pakistan, Iran und Sudan finden. Aber auch dort sind die Spielregeln nicht mehr so streng wie noch in den Achtzigerjahren. In vielen moslemischen Staaten hat sich eine gemischte Bankenszene entwickelt, aus europäisch geprägten und islamischen Instituten. Weltweit gibt es mehr als hundert moslemische Banken, darunter Institute in Dänemark, der Schweiz und Norwegen.

Vorreiter in Deutschland war die Commerzbank, die im Sommer 2002 den Aktienfonds AlSukoor („der Jagdfalke“) auflegte. Vor allem britische und amerikanische Kreditinstitute halten „islamische Fenster“ offen, in denen sie schariakonforme Produkte anbieten. So kooperiert Finanzminister Paqué mit der Citigroup, der größten US-Bank.