berliner szenen Joe und die Farben

Malen heißt siegen!

Joe vor einer riesigen, makellos weißen Leinwand. Was nicht Welt ist, ist Bild. Bild heißt Farbe. Farbe heißt Chemie. Chemie heißt Gift. Gift heißt Risiko. Risiko heißt Gefahr. Arsen, Aluminium, Barium, Eisen, Kalium, Mangan, Silber, Zink. Verbindungen mit Klarlack, mit der herben Schönheit des Kunstharzes, Glycerophagen, Schellack, Siegellack, Chlorkautschuk. Mit der schmeichlerischen Ölfarbe, den reinen Pigmenten, Lackfärbepigmenten, Rauschgelb. Mit Beizen und Lösungsmitteln. Alkohol, Methanol, Buthanol. Mit der Trockenfarbe Violett, dem lichtechten Sicomixblau, Barock- und Dukatengold, Flammruß, dem toxischen Bleichromat und Schweinfurter Grün. Gefahrstoffklasse. Vor dem Mischen mit anderen Farben wird gewarnt.

Kunst ist so saugefährlich! So eine Leinwand: Nürburgring, Nordschleife. Auwei! Setzt sich, köpft ein Bier. Nichts für Luschen, echt. Mut, Konzentration, genaue Kenntnis des Materials, Beherrschung der Werkzeuge. Unachtsamkeiten sind zu vermeiden, ebenso Ungeduld, Leichtsinn, Selbstüberschätzung. Gewisse Bewegungen können zu gewissen Zeiten tödlich sein. Bestimmte Körper- oder Gedankenbewegungen können den Tod bedeuten. Oder bewirken. Farbe – Chemie, Chemie – Gift, Gift – Gefahr. Holt eine Ampulle hervor. Bei indiziertem Risiko … äh … für alle Risikogruppen ist ein zu allen Tages- und Nachtzeiten zugänglicher Vorrat an Gegengiften … äh … unverzichtbar. Schluckt den Inhalt der Ampulle, stößt auf. Das Befinden wird gleich … äh … einfach … ah … viel, viel besser. Joe rennt mit dem Einkaufswagen durch das Atelier, wirft Kanister, Tuben, Töpfe, Pinsel, Schwämme, Spachtel, Besen, Bierdosen usw. hinein und rast damit vor die Leinwand. Malen heißt siegen! SASCHA JOSUWEIT