Powell hat Verständnis für Scharon

US-Außenminister unterstützt israelische Forderungen an neuen Premierminister der Palästinenser. Israels Ministerpräsident ist seinerseits zu „schmerzlichen Kompromissen“ im Friedensprozess bereit – aber nur, wenn sie nicht weh tun

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Mit Genugtuung resümierte Israels Premierminister Ariel Scharon gestern sein Treffen mit US-Außenminister Colin Powell, den er als seinen „Freund“ bezeichnete. Powell schlug sich mit seiner Forderung nach dem Entwaffnen von palästinensischen Oppositionsgruppen deutlich auf die Seite der Israelis, denen ein Waffenstillstand nicht ausreicht. Es seien „klare Maßnahmen gegen den Terror und die Infrastruktur“ der Widerstandsorganisationen notwendig, meinte Powell gestern in Jerusalem. Am Nachmittag traf er dann den neuen palästinensischen Premierminister Machmud Abbas (Abu Masen) in Jericho.

Powell forderte beide Seiten dazu auf, konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Er begrüßte die Geste der Israelis, die am Morgen 200 palästinensische Administrativhäftinge entließen sowie erneut palästinensische Arbeitnehmer nach Israel einreisen ließen. Scharon wiederholte in der Pressekonferenz seine Bereitschaft „zu schmerzlichen Kompromissen“, ohne ins Detail zu gehen. Die Zugeständnisse dürften keinesfalls „die Sicherheit der Bürger und des Staates“ gefährden, fügte er hinzu.

Bereits am Vortag hatte Israels Stabschef Schaul Mofas gegenüber Powell klargestellt, dass Israel die „vorbeugenden Antiterrormaßnahmen“, also die Hinrichtungen mutmaßlicher Terroristen, fortsetzen werde. Den Waffenstillstand, den Abu Masen auf diplomatischem Weg mit seinen Oppositionsgruppen erreichen will, lehnen die Israelis aus Furcht vor Terror nach eventuellem Scheitern der Verhandlungen ab. Damit verschärft Scharon seine frühere Forderung nach „100 Prozent Erfolg“ der Antiterrormaßnahmen.

Das zunächst in Ramallah geplante Treffen zwischen Powell und Abu Masen wurde offenbar aufgrund angekündigter Demonstrationen von Familienangehörigen palästinensischer Häftlinge nach Jericho verlegt. Berichten zufolge spielte zudem Rücksichtnahme auf Palästinenserpräsident Jassir Arafat, den Washington boykottiert, eine Rolle. „Der Partner der Vereinigten Staaten ist Machmud Abbas“, erklärte Powell.

Eine der Forderungen Abu Masens ist die Aufhebung der Reisebeschränkungen Arafats. Ferner wartet er auf eine Antwort Israels hinsichtlich des jüngsten internationalen Friedensplans. Scharon wich der Frage einer Journalistin aus, ob er den Plan anerkenne. Die Israelis hatten eine Reihe von Änderungswünschen vorgebracht, So sollen die Palästinenser bereits in der ersten Phase eine Verzichtserklärung in der Frage des Rückkehrrechts für Flüchtlinge unterzeichnen. Powell erklärte gegenüber Außenminister Silvan Schalom, dass dieser Punkt in einem direkten Dialog geklärt werden müsse.