Es gibt keine Gegensätze mehr

In seiner Regierungserklärung nimmt Ole Von Beust Abschied von alten Frontlinien – nur die Opposition spielt nicht mit. Schulreform und Moorburg-Kraftwerk prägen die Debatte

VON MARCO CARINI
UND SVEN-MICHAEL VEIT

Nun hat die neunzehnte Legislaturperiode der Bürgerschaft ganz offiziell begonnen. Mit der Regierungserklärung von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und der anschließenden Generaldebatte lieferten der Senat und die vier im Parlament vertretenen Parteien eine Positionsbestimmung für die kommenden Jahre ab – frei von Überraschungen und zumeist betulich.

Der Gräbenzuschütter

Bürgermeister Ole von Beust (CDU) erklärte in seiner souverän, aber glanzlos vorgetragenen Regierungserklärung, ein Haupt-Anliegen von schwarz-grün Koalition sei, überkommene Gräben zu überwinden. Leistungsförderung und Integration, Solidarität und Eigenverantwortung, sowie Ökologie und Wachstum seien heute keine Gegensätze mehr.

Thematisch legte der Bürgermeister einen Schwerpunkt auf die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund, die es gelte, „früher zu fördern“. Von Beust stellte dabei den Ausbau der Kita-Plätze und das kostenlose Vorschuljahr in den Vordergrund und verteidigte die Einführung der sechsstufigen Primarschulen: „Unsere Pläne werden Schulfrieden schaffen.“

Zum Kraftwerk Moorburg betonte von Beust, „die Verpflichtung Vattenfalls für den Fall der Nichtgenehmigung, die getätigten Baumaßnahmen zurück zu nehmen“. Eine Kampfansage an den Energieversorger. Um die schwarz-grünen Projekte ohne Neuschulden zu finanzieren, kündigte von Beust „Umschichtungen“ an, die mit Sicherheit zu Protesten führen werden.

Der Entertainer

Die Versicherung Ole von Beusts, Schwarz-Grün nicht zu machen, um in die Geschichtsbücher einzugehen, griff SPD-Fraktionschef Michael Neumann dankbar auf. „Mit dieser Rede werden Sie das auch nicht, Herr Bürgermeister“, begann der Oppositionsführer seine Erwiderung. Denn „in gut 20 aber gefühlten 45 Minuten“ habe von Beust Allgemeinplätze und Phrasen aneinandergereiht. Keine Gegensätze zwischen Wachstum und Ökologie und vor allem der Schulfrieden – „das sind doch Märchen“, spottete der angriffslustige und auf Ironie setzende Neumann, der auch von der Linken Szenenapplaus erhielt.

Der schwarz-grüne Schulkompromiss sei „ein Förderprogramm für Privatschulen“ und leiste „der sozialen Spaltung Vorschub“. „Die Faszination von Schwarz-Grün ist verflogen“, konstatierte Neumann, „bevor die Arbeit des Senats überhaupt begonnen hat.“

Der Solide

CDU-Fraktionschef Frank Schira attestierte Neumann eine „typisch sozialdemokratische Rede gehalten“ zu haben, die „gefangen im alten Denken und frei von Alternativen“ gewesen sei. Der schwarz-grüne Vertrag hingegen biete „Zukunftschancen“, die „den Menschen, der Wirtschaft und der Natur gleichermaßen gut tun“. „Die sechs Jahre gemeinsamer Unterricht, die wir vereinbart haben, sind längst europäische Norm“, verteidigte Schira die Primarschule.

Der Ernsthafte

Jens Kerstan, der neue GAL–Fraktionschef warf seinem SPD-Kontrahenten Neumann vor, „keine ernsthafte Debatte über die Zukunft Hamburgs geführt, sondern sich als Entertainer versucht zu haben“. Schwarz-grün sei ein „pragmatische Bündnis zur Lösung drängender Probleme“. Zentral sei dabei das „extrem ehrgeizige Klimaschutzprogramm“. Kerstan betonte, er halte das Kohlekraftwerk Moorburg sei „aus wasserrechtlicher Sicht nicht genehmigungsfähig“ und sei „ganz gelassen, dass das Verfahren nach Recht und Gesetz entscheiden wird“. Zudem versprach Kerstan, es werde unter Christa Goetsch „keine überhastete, übers Knie gebrochene Reform“ des Schulsystems geben.

Die Wadenbeißerin

Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Dora Heyenn, bemerkte in ihrer Rede hämisch, die CDU habe ihr Wahlversprechen gebrochen, „die Gymnasien nicht anzutasten“. Die beschlossene Schulreform bringe „mehr Probleme als Lösungen“, die soziale Auslese werde in der Praxis „nicht später, sondern früher – bei der Einschulung“ stattfinden.

Der GAL warf Heyenn vor, mit der Zustimmung zur Elbvertiefung und einem „windelweichen“ Moorburg-Kompromiss „Wählerbetrug begangen“ zu haben.