Die Wahrheit: Krawall hinterm Berg

Wie dem bayerischen Kanzlerkandidaten Franz Josef Strauß einmal im Radio Österreichs Wetter querkam.

Der Bayernfürst Franz Josef Strauß war, wenn er wollte und wenn er übervoll war, ein grandioser Redner. Bild: ap

Im Zuge ausgedehnter Recherchen zum Großnationalhetzer und Bierkrugbrüller Franz Josef Strauß, der sich nach sorgsamer Inventur seiner allzeit sogar von knüppelscharfen politischen Opponenten „gewitzt“ und „schlagfertig“ genannten rhetorischen Eskapaden selbst als in der Regel enervierender Textbausteinverwurster entlarvt, stieß ich jüngst im Internet auf die österreichische Mediathek – und dort auf die Sendung „Mittagsjournal“ vom 3. Juli 1979 auf Ö1.

Strauß war da just zum Kanzlerkandidaten der christlichen Gaunerunion und Herausforderer des Feldmarschalls Helmut Schmidt erkiest worden, unter hanebüchenen, alkoholbefeuerten, aber vor allem schwer komischen CDU/CSU-internen Kabale- und Quatschmeiereiumständen. Der nachfolgende einjährige Bundestagswahlkampf entwickelte sich denn auch konsequent zur prächtigsten politischen Krawallorgie in der alten Bundesrepublik.

„Ihr wärt die besten, ihr wärt die besten Schüler von Dr. Joseph Goebbels gewesen! Ihr wärt die besten Anhänger Heinrich Himmlers gewesen! Ihr seid die besten Nazi, die es je gegeben hat!“, schmetterte Strauß schon im September 1979 auf dem Essener Burgplatz den „Stoppt Strauß!“-Demonstranten entgegen, und wenig später bezichtigte er den damaligen SPD-Bundesgeschäftsführer Egon Bahr (er feiert am kommenden Sonntag seinen neunzigsten Geburtstag! Wir gratulieren herzlich!), der Drahtzieher der eskalierenden Proteste zu sein: „Die Information, die ich aus den Reihen der SPD bekommen habe, ist hochinteressant, daß der Initiator der SPD-gesteuerten und SPD-aufgeladenen Störungen und Krawalle der Herr Bahr gewesen ist!“

Nun, man kann besagte einstündige Ö1-Sendung also komplett und das historische Wissen anreichernd im Netz nachhören. Doch was mich mehr noch als Straußens im O-Ton dokumentiertes, mutmaßlich bierbeseeltes Gefasel über den künftig hochberühmten Frank Schirrmacher’schen „Flügelschlag“ und „Mantel der Geschichte“, der jetzt ihn, Strauß, eben bereits 1979 gestreift hatte, erfreute, war: die Wettervorhersage unserer Freunde hinter den hohen Bergen; die nämlich (das Datum merken wir uns! 3. Juli 1979!) im Anschluss an die Nachrichten „aus dem großen Programmtopf“ heraus vermeldeten: „Eine Hochdruckzone, die von Irland bis zum Schwarzen Meer reicht, kommt in Österreich derzeit nicht zur Geltung. In unserem Land dominiert der Einfluß eines Mittelmeertiefs. Die Wetteraussichten bis morgen früh: In ganz Österreich schlechtes Wetter. Im Süden zum Teil ergiebiger Landregen … Nachmittags Temperaturen elf bis sechzehn Grad. Tiefstwerte der kommenden Nacht: sieben bis dreizehn Grad. Die Wetteraussichten bis morgen, Mittwoch … Im Süden und Osten, bei noch reichlicher Bewölkung, regnerisch.“

3. Juli 1979, Tag der Kür des Franz Josef Strauß – und „in ganz Österreich“ kündigt sich Ror-Wolf-artiges regnerisch-„schlechtes Wetter“ an, trotz einer „Hochdruckzone“, die im Strauß’schen Sinne eines neuen und insbesondere irgendwie ausnehmend großen „Groß-Europas“ (Franz Josef Strauß: „Entwurf für Europa“, Stuttgart 1966, S. 71) paneuropäisch „von Irland bis zum Schwarzen Meer reicht“.

Der Schwerkritiker Thomas Bernhard hätte das hinsichtlich der fatalen Totalverrammeltheit der österreichischen Existenzkonstituenten nicht treffender formulieren können. So wie Franz Josef Strauß schon mal gar nicht. Der pflaumte ohnehin lieber alpenländische Journalisten an, bevorzugt so: „Und diese Freundschaft“ – jene innige zwischen den bayerischen Obatzterbollerköpfen und den „katholisch-nationalsozialistischen“ (Bernhard) Österreichern –, „diese Freundschaft kann niemand zerstören, auch nicht so ein Schmierfink von Kolumnenschreiber, wie es in der Wiener Presse geschehen ist.“

Oder nun mal wieder in der Berliner.

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kari

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