Handballmacht THW Kiel: Mit gespenstischer Wurfsicherheit

Der THW Kiel beherrscht den deutschen Handball nach Belieben. Im Achtelfinale des DHB-Pokals wurden die Füchse Berlin überrannt, dabei sind die auch nicht schlecht.

"Wir haben die Hammeraufgaben super gelöst", bilanziert THW-Profi Filip Jícha. Bild: dpa

BERLIN taz | Wenn Filip Jícha sich nach einem Tor unter die Sohlen seiner Schuhe klopft - was er so exzessiv betreibt wie einst Ivan Lendl, wenn er den verschwitzten Griff seines Tennisschlägers mit Sägespänen bearbeitete – und er dann zur Anzeigetafel hochschaut, so ist dies in letzter Zeit kaum ein banger Blick. Selbst wenn es mal eng wird für den THW Kiel, das Team ist im letzten halben Jahr dermaßen gefestigt, dass kommen mag, wer oder was will: Am Ende gewinnt Kiel doch.

Die Füchse Berlin jedenfalls wurden den Kielern trotz ordentlicher Leistung am Mittwochabend im Pokal-Achtelfinalspiel zu keiner Zeit wirklich gefährlich, am Ende stand ein 39:28-Auswärtssieg des THW.

"Wir haben die Hammeraufgaben super gelöst", sagte der tschechische Nationalspieler Jícha nach dem Schlusspfiff. In der Tat: Die Kieler spielten von Beginn an einen geradlinigen, fast pragmatischen Ball, dem die Berliner mit aufwändigem Tempohandball nur bis zu Beginn der zweiten Halbzeit gewachsen waren.

Die Vorsaison als Ansporn

So machten Kim Andersson, Momir Ilic, Christian Zeitz (alle 7 Treffer) und Jícha (6) auf Kieler Seite unspektakuläre Tore, während die Füchse erst zu viel wollten und später zu wenig konnten. Der Kieler Trainer Alfred Gislason war entsprechend erleichtert: "Wie die Jungs es dann immer wieder schaffen, sich neu zu motivieren, ist schon toll."

Die Vorsaison, in der die Meisterschaft an den HSV Hamburg gegangen ist, scheint Ansporn genug gewesen zu sein. Die Kieler legten in der Liga einen Startrekord von 16 Siegen am Stück hin. Zur Meisterschaft wurde öffentlich schon gratuliert. Nun wird die herausragende Hinrunde gekrönt durch ein Weiterkommen im Pokal - in der Champions League hat man als Gruppenzweiter ebenfalls eine gute Ausgangsposition.

Der Weg geht also geradewegs zum Triple? "Solche Ziele setzen wir uns nicht", sagt Jícha, "wir gucken, dass wir uns jedes Spiel weiter so präsentieren können wie zurzeit." Im Spiel am Mittwochabend zeigten die Zebras eindrucksvoll, was sie so reif macht.

Der zuletzt überragende Daniel Narcisse fehlte, die Kieler hatten Startschwierigkeiten, Daniel Kobes sah früh die Rote Karte - all das steckte man durch eine starke Kollektivleistung weg. In der ersten Hälfte spielten die Kieler die Angriffe konzentriert zu Ende, gepaart mit beeindruckender Wurfsicherheit. In Hälfte zwei hatte man die Kraft zu schnellen Gegenstößen, sobald die Füchse ihrerseits im Angriff nachließen.

"Ich genieße es einfach nur, Teil dieser Mannschaft zu sein", sagte Jícha, "und sie mit meinen Fähigkeiten weiterentwickeln zu können." Der Welthandballer von 2010 ist nach wie vor Regisseur und Protagonist in einer Person - und schafft es, aus einem Ensemble aus Weltklassehandballern noch ein wenig herauszuragen. Glücklich wirkt er, über das Erreichte - und gleichzeitig urlaubsreif. Außer Trainieren, Spielen, Busfahren, Schlafen habe er im letzten Monat "gar nichts" gemacht.

Rückkehr des Schwenkers

Dass der THW den Ligazweiten mit 11 Toren Vorsprung schlug, spricht für eine beinahe gespenstische Überlegenheit. Im Schnitt gewannen die Kieler ihre Bundesligaspiele mit 8 Toren Vorsprung. "Bis eine Viertelstunde vor Schluss war der Sieg noch nicht klar", sagt Trainer Gislason hingegen, "die Füchse haben uns alles abverlangt." Vor einigen Wochen beim 32:33 in der Meisterschaft waren die Berliner wirklich sehr viel näher dran, die Kieler zu knacken. Für die Bundesligisten reicht es gegen den THW nicht über die volle Distanz.

Die überragende Hinrunde und der deutliche Vorsprung von 7 Punkten in der Liga kommt den Kielern dabei nicht ungelegen. Der Prozess gegen Exmanager Uwe Schwenker - dem vorgeworfen wird, gemeinsam mit Extrainer Zvonimir Serdarusic das Champions-League-Finale 2007 verschoben zu haben, und der sich deshalb gerade vor Gericht verantworten muss - wird vom sportlichen Erfolg überlagert.

Währenddessen wird in Kiel schon über die Rückkehr Schwenkers nachgedacht, von einer Verurteilung ist nach derzeitigem Stand im Prozess nicht auszugehen. Die Beweise fehlen. Filip Jícha aber freut sich erst mal auf Weihnachten - und dann auf ein wenig handballfreie Zeit.

Er lässt sich - natürlich - noch nicht zur Meisterschaft gratulieren. "Niemand, der da auf dem Platz steht und diesen schnellen und schnelllebigen Sport betreibt, würde das tun", sagt er. Im April kommenden Jahres sei er vielleicht gesprächsbereiter. Fragen wir ihn dann noch mal, wenn der THW Kiel mit 58:0 Punkten in den 30. Spieltag der Handball-Bundesliga geht.

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