die wahrheit: Der Damm der Riesenlügner

Man soll ja auch etwas lernen. Wer sich in Irland an besonders eindrucksvollen Landschaftsstrichen erfreuen will, muss zuerst ins Interpretationszentrum...

Man soll ja auch etwas lernen. Wer sich in Irland an besonders eindrucksvollen Landschaftsstrichen erfreuen will, muss zuerst ins Interpretationszentrum, wo ihm erklärt wird, warum die Landschaft eindrucksvoll ist. Das ist selbstverständlich mit Gebühren verbunden, aber dafür bieten sie einem Gipsmodelle der Landschaft, so dass man sie nicht mühsam zu Fuß erkunden muss.

Der Giants Causeway, der "Damm des Riesen", im Norden der Insel zum Beispiel: Es ist die einzige Stätte des Unesco-Weltkulturerbes im britisch besetzten Norden. Sie besteht aus Tausenden von Basaltsäulen, die angeblich durch vulkanische Eruptionen entstanden sind. In Wirklichkeit sind sie beim Kampf zweier Riesen geschaffen worden. Als einer der beiden Angst bekam und nach Schottland floh, brachte er die Küstenregion durcheinander. Aber das erfährt der Besucher nicht mehr, denn das Interpretationszentrum ist im April 2000 abgebrannt.

Nun soll ein neues her. Aber wer darf es bauen? Die Basaltsäulen gehören der britischen Organisation für Denkmalpflege, der Parkplatz hingegen der Kommunalverwaltung. Und dann gibt es noch Seymour Sweeney, der das meiste Land in der Umgebung und das Wirtshaus neben dem Parkplatz besitzt. Er möchte das neue Interpretationszentrum auf seinem Land bauen. Und wenn er schon mal beim Bauen ist, sollen auch ein Hotel und ein Restaurant her. Die Denkmalpfleger und die Kommunalverwaltung haben sich dagegen für einen öffentlich finanzierten Bau entschieden.

Aber die nordirische Umweltministerin nicht. Arlene Foster deutete an, dass sie Sweeney den Auftrag erteilen werde. Foster gehört der Democratic Unionist Party (DUP) an - wie auch Sweeney. Das habe sie ja gar nicht gewusst, beteuerte Foster vollkommen glaubwürdig. Ihr Parteichef Ian Paisley, nebenbei nordirischer Premierminister und Unterhausabgeordneter, ist ebenfalls für Sweeneys Plan, was Foster auch unbekannt war.

Anfang des Monats kam heraus, dass der 81-jährige Pfarrer Paisley bereits im Januar 2003 in einem erbosten Brief auf offiziellem Unterhauspapier die Lottogesellschaft der Schwachköpfigkeit verdächtigt hatte, weil sie Sweeney Lottogelder für sein schönes Projekt verweigert hatte. Schließlich stehe die Unesco voll hinter Sweeney, versicherte er. Eine Sprecherin der Unesco hingegen versicherte, dass Paisley lüge. Sein Brief ist nur deshalb bekannt geworden, weil der Belfast Telegraph ihn sich unter Berufung auf das Gesetz für Informationsfreiheit beschafft hatte. Paisley, der das Gesetz eben noch als Beweis für die Offenheit seiner Regierung gelobt hatte, will es nun wieder abschaffen, damit "faule Journalisten" es nicht ausnutzen können.

Paisleys Sohn, der ebenfalls Ian heißt, ist genauso verlogen wie der Alte, aber deutlich weniger intelligent. Er habe irgendwann schon mal von Sweeney gehört, sinnierte er. Das sollte er auch: Sweeney hat für ihn ein Ferienhaus in Bushmills gebaut. Im Gegenzug setzt sich Klein-Ian seit Jahren für Sweeneys umstrittene Bauprojekte ein. Irgendwo müsste es doch noch Riesen geben, die Ian Senior und Ian Junior über den Giants Causeway nach Schottland jagen können. Oder wenigstens ins Meer.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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