die wahrheit: Geisel der Liebe

Das geheime Tagebuch der Carla Bruni. Heute: Die Frau aus dem Dschungel-Camp

Ménage à trois auf dem Rollfeld: Die Première Dame und ihr kleiner Nici begrüßen Ingrid Betancourt. Bild: ap

Mon cher journal intime …

Ich glaube, das Personal klatscht schon. Ich spüre ihre Blicke in meinem Rücken und ihre bösen Worte. Und dann die Anspielungen … So lag schon dreimal die Gartenrevue in meinem Zeitungsstapel. Die habe ich nicht bestellt. Heute dann gab es Gemüsesuppe. Simone, diese ohnehin schon oberschnippische Servierzicke, erdreistet sich doch, mir beim Auffüllen direkt in die Augen zu blicken, die Augenbraue zu heben und zu sagen: "Gärtnerinnenart". Ich hätte ihr an die Gurgel gehen können. Zum Glück aber habe ich gerade diesen Yoga-Auffrischungskurs hinter mir. Also habe ich "Sat Nam" gedacht und auch noch "Friede sei mit dir, du Biest", erhabenst gelächelt und ganz kühl erwidert: "Ach, ist Spargel drin?!"

Das fand ich ehrlich gesagt, ziemlich gut. Da muss man erstmal drauf kommen! Sie ist dann ohne weitere Mätzchen abgezogen. Trotzdem, ich muss vorsichtiger sein und darf Joseph nicht mehr so öffentlich treffen. Einen Skandal kann ich mir im Moment nicht leisten. Nicht bevor meine neue Platte draußen ist.

Nici tobt. Ich bin lieber rausgegangen. Er hat den Außenminister, den Verteidigungsminister und den kolumbianischen Botschafter kommen lassen. Irgendwo ist jemand befreit worden, ohne dass Frankreich dabei war. Nici ist völlig außer sich. Ich habe ihn selten so wütend erlebt. Auch sind wohl noch keine Kamerateams eingetroffen, um seine Glückwünsche für die Nachrichtensendung aufzuzeichnen.

Also, schon wieder eine Geisel frei. Das ist jetzt die dritte, seit meinem Amtsantritt im Februar. Irgendwie ist "Geisel" mein Thema. Das gefangene Leben. Das Leben, das auf Befreiung wartet. Depression, ick hör dir trapsen … Ich bin so froh, dass das Prozac jetzt richtig dosiert ist und ich meine Mitte wieder gefunden habe - deprifrei und Spaß dabei! Und auch, dass Madame Betancourt eine Frau der Kultur und des Geistes ist, macht es leichter.

Wir werden sie treffen, um Frankreichs Rolle bei der Befreiungsaktion hervorzuheben. Die es ja gar nicht hat. Deshalb ist es für Nici wichtig, sich mit ihr zu zeigen und vertraulich zu tun. Jedenfalls werde ich mit einer Frau ihres Formates ja wohl nicht die ganze Zeit über ihr langweiliges Dschungelcamp reden müssen. Wir können uns über Kunst und Musik unterhalten. Über Film und Theater. Obschon - wahrscheinlich hat die gar keine Ahnung, was hier die letzte Saison lief. Vielleicht weiß sie gar nicht, dass "Indiana Jones" neu verfilmt wurde? Habe eben mit Nici gesprochen. Er sagt, sie wüsste nicht einmal, wer wir sind.

Etwas Schönes hat der Tag aber doch: Heute sind wir fünf Monate verheiratet. Fünf Monate, es kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Und wir haben nicht einmal Zeit, das zu feiern. Der Staat verlangt von allen Seiten nach uns. Also, nach Nici ruft er natürlich mehr. Aber auch ich komme kaum dazu, ein passendes Präsent für meinen kleinen Herrscher auszusuchen. Aber ich habe mir zu helfen gewusst. Ich habe einfach eine Idee recycelt, die ich schon mal bei einem Amerikaner hatte, mit dem ich zwei sehr, sehr schöne Wochen auf Hawaii verlebt habe. Ich habe ein Unterhosen-Set gekauft und vorn darauf sticken lassen: Ich liebe Dich … am Montag, am Dienstag und so weiter - bis Sonntag. In verschiedenen Farben und seiner Lieblingsschrift "Petit Napoléon". Total süß.

Donnerstag, 3. 7. 2008

Die Japaner sind eingeschnappt weil ich nicht mit zum G-8-Gipfel reise. Die Presse schreibt, andere Präsidenten hätten auch schöne Frauen. Als wenn die Medwedjew meine Klasse hätte! Viel schlimmer ist, dass man uns behandelt wie Fußballerfrauen. Kein Anstand, keine Würde. Wir sind das schöne Beiwerk am Spielfeldrand, auf das das Scheinwerferlicht fällt, sobald die Akteure Halbzeit haben. Das mir, der Feministin! Auf der anderen Seite stimmt es ja - was die Beckhams noch vor gut einem Jahr waren, sind heute Nici und ich. Das Glamourpaar, das die Gesellschaftsseiten der Presse bestimmt.

Sogar die Rollenzuschreibung passt: Die Männer machen die Punkte, und wir Frauen sind für die Show zuständig. Klamotten und Musik. Nun gut, ich kenne das ja schon. Ob Donald, Micki, Eric, Raphael, Serge, Jürgen, Vito-Luca, Vittorio, André I, Louis, Francois, Thomas, Henry P. oder Paul - ich war immer die Puppe an der Seite. Das Ding zum Vorzeigen. Nur bei André II, Pierre, Tarcan, Mario, Francesco, Sean und Marc war es anders. Die waren entweder so zugekifft oder so dermaßen depressiv, dass sie sowieso nicht vor die Tür wollten. Nun die Japaner - egal, die sind eh zu klein für mich.

Sonntag, 6. 7. 2008

In fünf Tagen kommt meine Platte raus. Ich kann nicht leugnen, dass ich aufgeregt bin. Zum Glück haben Nicis Leute die PR-Strategie bis in den letzten Winkel festgezimmert und die Medien unter Kontrolle. Nici sagt, es wird keine schlechte Presse geben. Ich finde, es geht zu weit, wenn derart massiv eingegriffen wird. Aber Nici sagt, er könne sich keine schlechte Presse leisten. So einfach sei das.

SILKE BURMESTER

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