die wahrheit: "Kommt ein Porsche zum Arzt "
Neues von der Leserfront: Computerprogramme sollen das Schreiben erleichtern.
"Wahrheit, Guten Tag."
"Guten Tag, mein Name ist Reiner Kowalewski."
"Guten Tag, Herr Kowa "
"Kowalewski. Wie Kowalski, nur mit eff, hehehe."
"Was kann ich für sie tun, Herr Kowalewski?"
"Ja, sagen Sie mal, Sie sind doch von der Zeitung?"
"Ja, ich bin Redakteur bei einer Tageszeitung."
"Dann bringen Sie doch so Geschichten?"
"Was für Geschichten?"
"Na Geschichten eben. Von allem Möglichen."
"Meinen Sie Erzählungen ?"
"Erzählen kann ich. Sagt meine Freundin immer. Die Kimberly. Die kennen Sie nicht, oder?"
"Kimberly? Ich glaube nicht."
"Jedenfalls wollte die Kimberly, dass ich Sie anrufe."
"Ja, und?"
"Weil ich doch so gut erzählen kann: Witze und überhaupt so lustigen Kram."
"Herr Kowalski "
"Kowalewski!"
"Entschuldigung, Herr Kowalewski. Aber was hat das jetzt mit uns hier zu tun?"
"Ja, wo die Kimberly doch meint: Ich soll Ihnen mal was erzählen, und Sie drucken das dann in Ihrer Zeitung."
"In welcher Zeitung?"
"Na, in Ihrer. Sie sind doch bei der Zeitung, oder?"
"Doch, doch."
"Na also! Dann drucken Sie also die Geschichte von mir?"
"Wir können doch nicht einfach eine Geschichte drucken."
"Sie ist aber gut. Ich leg dann jetzt mal los: Kommt ein Porsche zum Arzt "
"Herr Kowalinski! Wenn Sie eine Geschichte erzählen wollen, dann müssen sie die schon aufschreiben. Eine Tageszeitung wird auf Papier gedruckt."
"Auf Papier?"
"Ja, auf Papier!"
"Nicht mehr lange!"
"Wie? Nicht mehr lange?"
"Ich gucke ja nur noch Computer. Internet und so."
"Aber da werden doch auch Buchstaben und Wörter benutzt, Herr "
"Ja, schon. Aber ich habe jetzt das neue ,Speak & Write'!"
"Speak and was?"
"And Write. Ich spreche, der Computer schreibt."
"Ah ja, der Computer schreibt alles für Sie auf?"
"Genau! Meine Geschichten. Ist das nicht toll?"
"Ganz toll."
"Und Sie dürfen jetzt eine Geschichte von mir drucken."
"Ach, darf ich das?"
"Aber sicher. Für 500 Euro."
"Nur 500 Euro?"
"Na ja, die Kimberly hat schon gesagt: Ich soll ruhig das Doppelte verlangen."
"Herr Kowalinski, ich weiß nicht, ob Sie das wissen, aber es besteht ein fundamentaler Unterschied zwischen gesprochener und geschriebener Sprache. Meist funktionieren Artikel nicht, die auf gesprochener Sprache beruhen."
"Keine Angst, das läuft schon. Ich simse Ihnen das auch zu. Geben Sie mir schon mal Ihre Handy-Nummer."
"Meine Handy-Nummer?"
"Oder wollen Sie, dass ich Ihnen das maile? Dann muss ich das aber erst mal vom Computer aufschreiben lassen."
"Wie? Ihre Geschichte ist noch gar nicht aufgeschrieben?"
"Ein alter Mann ist doch kein D-Zug, hehehe. Ich habe das ja noch nicht mal erzählt. Also: Ein Porsche kommt zum Arzt "
"Hören Sie, Herr Kowa "
"Was? Wie? Ja, wenn Sie mich dauernd unterbrechen, dann kommen wir hier nie zu Potte. Also noch mal: Kommt ein weißer Carrera 911 - ach, Sie bringen mich ganz durcheinander!"
"Achtung, Achtung! Hier kommt eine dringende Suchmeldung der Polizei: Gesucht wird ein Mann namens Reiner Kowalewski. Der Flüchtige wird verdächtigt, mit seinem weißen Porsche Carrera 911, amtliches Kennzeichen "
"He, das bin ja ich! Haben die Bullen mich schon wieder geblitzt? Tut mir leid, ich muss auflegen. Ich muss jetzt weg. Ich ruf Sie dann noch mal an "
"Auf Wiederhören und vielen Dank, Herr Kowalski."
MICHAEL RINGEL
Die Wahrheit auf taz.de
