die wahrheit: Spielhölle unter Palmen

Ein Sammellager für die Bad Banker dieser Welt: Aus Guantánamo wird Bancánamo.

In Zeiten allgemeiner Finanznot wäre es Verschwendung, Guantánamo nicht weiter zu nutzen. Bild: reuters

Der alte Mann kauert schon stundenlang regungslos in der Ecke seines Käfigs. Unbarmherzig brennt die karibische Sonne auf ihn hernieder. Vergeblich werfen die Gefängniswärter ihm Stöckchen zu - doch nichts kann den distinguierten Herrn in seinem korrekt gebügelten zweireihigen Sträflingsanzug aufheitern. Es ist Bernard "Snowball" Madoff, der 50-Milliarden-Betrüger, der hier in Guantánamo einen Ruhestand der ganz anderen Art verbringt.

Barack Obamas Entscheidung, das US-Gefängnis Guantánamo auf Kuba zu schließen, sorgte weltweit für deutlich hörbares Aufatmen. Doch neben der Frage, wohin die mutmaßlich unschuldigen Inhaftierten überstellt werden sollen, war eine andere Frage völlig unbeachtet geblieben: Was soll mit dem Lager selbst geschehen, mit diesem idyllisch gelegenen All-inclusive-Knast am karibischen Palmenstrand? Die Gebäude, Käfige und sonstigen Einrichtungen sind noch viel zu gut in Schuss, als dass man sie in Zeiten der globalen Finanzkrise ungenutzt dem Verfall preisgeben könnte.

Horatio D. Palmer, Lieutenant in Guantánamos Hochsicherheitstrakt, der wie seine Kollegen den exklusiven Arbeitsplatz auf Kuba nur ungern aufgeben möchte, hatte da eine Idee. "Jetzt wird doch darüber verhandelt, welche Länder die Gefangenen aufnehmen", erklärt der drahtige Texaner, "und wenn uns unsere Verbündeten in dieser heiklen Frage helfen, dann müssen wir ihnen auch was dafür bieten, das gebietet doch allein schon die internationale Solidarität." Und dann erläutert er seinen zentralen Gedanken: Man könnte Guantánamo zum zentralen Gefängnis für verurteilte Investmentbanker, Anlagebetrüger und Finanzschwindler umwidmen. "Jedes Land hat doch wegen der Finanzkrise solche Fälle", redet sich Palmer in Rage, "und Steuerhinterzieher und betrügerische Kredithaie kann man doch nicht guten Gewissens mit Einbrechern und Mördern zusammen einsperren. Diese asozialen Elemente sind dem gewöhnlichen Kriminellen einfach nicht zumutbar, sie gehören in Quarantäne!" Aus Guantánamo würde so Bancánamo, das Sammellager für die Bad Banker dieser Welt.

Lieutenant Palmer und seine Männer haben sich auch schon Gedanken gemacht, wie sie die internationalen Finanzhyänen wieder "auf Kurs" bringen könnten. "Zunächst mal die Zellen. Die geldgierigsten Raubtierkapitalisten müssen wir natürlich in unseren bewährten Käfigen aus rostfreiem Edelstahl unterbringen. Aber auch für den klammheimlichen Aasgeier, der die Oma um ihre Ersparnisse gebracht hat, haben wir den geeigneten Verwahrungsort. Unsere fensterlosen Dunkelzellen ähneln stark einem Banksafe. Und da fühlen sich diese zwanghaften Geldwanzen sowieso am wohlsten." An dieser Stelle meldet sich Palmers Kollege Pete Donovan zu Wort. Der ausgewiesene Verhörspezialist hat präzise Vorstellungen, wie er aus nicht geständigen Angeklagten Informationen herauskitzeln könnte. "Ich sage nur - Moneyboarding. Da wird der Gefangene in eine Wanne geschnallt und von oben lassen wir im Minutentakt Münzen auf ihn runterfallen - bis er vollständig bedeckt ist. Da wird jeder Finanz-Scharlatan, der anfangs die Aussage verweigerte, mürb wie Knäckebrot."

Sergeant Donovan hat seinen Humor während der langen Dienstjahre in Guantánamo offenbar noch nicht verloren - aber handelt es sich bei seiner Methode nicht um Folter? "O nein, ganz im Gegenteil. Wir machen dabei doch nichts anderes, als den Gefangenen vorübergehend in sein natürliches Lebensumfeld zu versetzen. Das stimuliert ihn und regt ihn nur an, über seine betrügerischen Geldgeschäfte zu plaudern."

Zweifel bleiben beim Berichterstatter, ob derartige Methoden den Ruf der Vereinigten Staaten von Amerika nicht weiter ruinieren könnten, aber Sergeant Donovan winkt ab. "In unseren Freigehegen haben die Gefangenen genügend Auslauf. Sonne, Wind und Meer - das ist der Dreiklang unseres Resozialisierungsprogramms. Hier können die Inhaftierten bei meditativen Tätigkeiten wie Sandsäckefüllen oder Steineklopfen zu sich selbst finden. Das ist doch viel schöner als der triste Gefängnisalltag anderswo." Und, seien wir mal ehrlich, auch nicht viel anders als der All-inclusive-Urlaub in der nahen Domrep.

Schon bald sollen die ersten Gefangenen aus Europa von ihren Regierungen nach Guantánamo überstellt werden und auch aus den USA ist für Nachschub gesorgt. Die unlängst verhafteten Anlagebetrüger Nicholas Cosmo und Arthur Nadel sind mit einem vermuteten Schaden von jeweils 300 Millionen Dollar zwar Schneeball-Leichtgewichte, die "Mister 50 Billion" Madoff im normalen Leben zwar keines Blickes würdigen würde, aber vielleicht schaffen sie es, den Gentleman-Gauner alter Schule mit Gesprächen und Brettspielen ein wenig aus seiner tiefen Depression zu reißen. Die Gefängnisleitung hat jedenfalls schon mal ein Monopoly-Spiel angeschafft.

RÜDIGER KIND

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