die wahrheit: Praktikanten als Dessert

Die Island-Woche der wahrheit: Auf der Insel boomt das Troll-TV.

Vorbereitet für die nächste Fütterung: Praktikanten sind ein wahrer Leckerbissen für Familie Trollens. Bild: reuters

Im Maul von Fjillsrongur knackt und knirscht es, aus seinen borkigen Lippen tropfen Fleischsaft und Blut, dann röhrt er plötzlich und spuckt in hohem Bogen den Oberschenkelknochen seines kleinen Bruders Malmgrimm über den bemoosten Vorgarten von Familie Trollens. Er landet mitten in einer Gruppe kleiner Hauskobolde, die verschreckt in ihre Höhlen zurück kriechen, während Fjillsrongur mit seiner ohrenbetäubenden Stimme "Nachtisch!" brüllt.

Unvorstellbar, dass so etwas in einem anderen Land als Island zur besten Sendezeit im Fernsehen laufen könnte. Doch auf der kleinen schrulligen Insel sind "Die Trollens" gerade der größte Coup der örtlichen TV-Macher. Vom Konzept ähnelt die Sendung anderen Dokusoaps, wie man sie auch aus Amerika und Deutschland kennt, doch der entscheidende Unterschied ist: Hier spielt eine ganze Horde leibhaftige Trolle die Hauptrolle. Zudem ist die Show ehrlicher und ungeschminkter als die Formate, die wir aus Deutschland gewöhnt sind - hier ist nichts gescripted oder getürkt.

"Trolle sind keine besonders guten Schauspieler", erklärt Produzentin Jóhanna Olufsdottir "außerdem lassen sie sich nicht gerne etwas vorschreiben." Das mussten die Dokufilmer allerdings erst schmerzlich erfahren. Olufsdottirs Kollege Bjarni Snæbjörn wurde in der allerersten Sendung vor laufender Kamera bei lebendigem Leib gehäutet und anschließend als Troll-Tandoori schonend im hauseigenen Geysir gegart. Und das bloß weil er aus ästhetischen Gründen ein paar verkrustete Blutklumpen aus dem Zottelfell von Malmgrimm entfernen wollte. "Solche Fehler passieren eben, wenn man Fernseh-Neuland betritt", fasst die Produzentin lapidar zusammen, "aber die Show muss trotzdem weitergehen!"

Und sie geht weiter. Der Erfolg von "Die Trollens" hat eine regelrechte Welle des sogenannten Troll-TV oder auch Trolltainment ausgelöst. Die Isländer begeistern sich wie nie zuvor für ihre fabelhaften Mitinsulaner. So zieren mittlerweile auch Sendungen wie "Icelands next Troll Model" und das "Troll-Gericht" die Programme. Vor allem das Troll-Model kommt bei den Zuschauern sehr gut an, weil sie per Telefonanruf mitbestimmen können, wer in die nächste Runde kommt und welche Kandidatinnen von den anderen zur Strafe für untrollhaftes Benehmen gefressen werden sollen. Das Finale steht kurz bevor: In einer großen Gala treten die drei Finalistinnen Garmskling, Borgnagr und Rumuldsbröst gegeneinander an. Zu gewinnen gibt es einen Modelvertrag mit Trolltown, einem der derzeit angesagtesten Modelabel für Fabel-Fashion und Fellaccessoires.

Doch der Erfolg sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass nicht alle Formate so funktionieren, wie es sich die TV-Leute vorstellen. So hatte man auch eine eigene Troll-Kochshow eingerichtet, bei der die steinalte Oma der Trollens, Grimsborsta, ihre Lieblingsrezepte vorkochen sollte. Doch über die Pilotfolge kam die Show nicht hinaus, die Rezepte waren deutlich zu rustikal und die Zutaten für die Zuschauer auf legalem Weg viel zu schwer zu beschaffen.

Und noch etwas droht bei der Aufregung um nie dagewesene Einschaltquoten und Publikumsbegeisterung unterzugehen: Die Interessen der Akteure vor der Kamera. Was denken "Die Trollens" über den Hype? Wissen sie überhaupt, dass sie Fernsehstars sind? Die Produzentin druckst etwas herum, denn es scheint keine wirksamen Verträge zu geben. "Wissen Sie, Trolle schreiben nicht so gern, und lesen können sie auch mehr schlecht als recht", versucht Olufsdottir zu erklären und betont, dass man allerdings sehr gut für sie sorge und hin und wieder ein paar Praktikanten zur Belohnung in den Vorgarten der Trollens werfe.

Sehr zur Freude von Fjillsrongur, der inzwischen seinen Bruder Malmgrimm verdaut hat. Doch bis es wieder Praktikanten gibt, muss er sich mit dem begnügen, was da ist. So macht er sich daran, geschickt wie ein Ameisenbär mit einem spitzen Stock in der Koboldhöhle zu bohren. Von drinnen dringt aufgeregtes Quieken an die Oberfläche, und ein paar besonders dicke Kobolde können nicht mehr rechtzeitig fliehen. Fjillsrongur zieht zufrieden einen schmackhaften Koboldspieß aus dem Erdloch und reicht ihn grunzend an Oma Trollens weiter, die ihn sogleich in einen Tiegel mit siedendem Trollfett taucht. Fjillsrongur springt polternd auf und ab und klatscht mit den haarigen Trollpranken aufs Moos. Produzentin Olufsdottir hat ein seliges Grinsen im Gesicht, weiß sie doch, dass das wieder eine phänomenale Quote geben wird.

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