Die Wahrheit: Knorke mit Krückstock

Von außen sieht das Tanzcafé „Babette“ aus wie jedes andere Oma-Plüschcafé: Charme der Fünfziger mit Raffgardinen an den Fenstern ...

Dieses Schaf ist stets bemüht, dem Tanzcafé „Babette“ genug Wolle für die tägliche Strickerei zu liefern. Bild: dapd

... und schmiedeeiserner Schnörkelschrift über dem Eingang. Innen jedoch ändert sich das Bild schlagartig: cooler Sound wabert durch den Raum, auf den mit braungrünem Samtbrokat bezogenen Sitzgarnituren hat sich junges Szenevolk breitgemacht. Aber man trifft durchaus auch noch auf die alte Kundschaft – Damenkränzchen der Generation 70 plus und Old-School-Kavaliere, die hier ihre Lebensgeister aktivieren wollen.

Dass Jung und Alt sich im Tanzcafé Babette in friedlicher Koexistenz zusammenfinden, liegt am besonderen Konzept des Betreibers Robert Donian. Im „Babsi“, wie das Lokal von seinen zahlreichen Anhängern liebevoll genannt wird, trifft sich nämlich die junge Münchner Handarbeiten- und Bastelszene – und die stylishen Freestyle-Häkler und Strick-Junkies können vom Erfahrungsschatz der alten Damen und Herren nur profitieren.

„Wow, dude“, tönt es von der Eckbank hinten rechts, wo ein 17-jähriger Jüngling seinen Freunden eben seine selbst gestrickte Handytasche vorführt, „du bist echt der Pro.“ Das cool-lässige Lob kommt nicht etwa von einem Altersgenossen, sondern von Erich Klippenbart, einem 80-jährigen Rentner im beigefarbenen Popeline-Blouson, der hier als Trendscout für die Apotheken Rundschau unterwegs ist. Das Apple-Logo in Spitzenklöppel-Technik ist aber wirklich voll süß, findet auch Helene Neidel, eine 75-jährige Seniorin, die jeden Tag mit ihrem Rollator vom Altenheim „Alpenresidenz“ ins Babsi tapert, wo einfach „tierisch der Bär steppt“, wie die rüstige Seniorin – immer einen kessen Spruch auf der Lippe – anmerkt.

Das Tanzcafé Babette ist zum Labor einer einmaligen Durchmischung der Generationen geworden. Im Babsi treffen sich minderjährige Handarbeitsfreaks, die keinen Bock mehr auf Computerspiele, deutschen Hiphop oder Skateboardfahren haben, mit einer rüstigen Rentner-Szene mit neuen Idealen und einer eigenen, betont jugendlichen Sprache. Diese Senioren haben genug von rentnertypischen Vergnügungen wie Kaffeefahrten oder Bingo-Nachmittagen. Statt „Polonaise Blankenese“ stehen diese Silver Ager auf moderne Rhythmen. „Diesen Hibbedihopp find ich echt dufte“, gesteht etwa Franziska Karsunke, eine pensionierte Biologielehrerin, die man eher als Roy-Black-Anhängerin verortet hätte. Aber auch wenn DJ Erich zum „Rock ’n’ Rollator“-Abend lädt, lassen sich die junggebliebenen Oldies nicht zweimal bitten.

14 Uhr, Auftritt Hugo Tungersdorf. Pünktlich wie jeden Tag movt der grauhaarige Greis im Wiegeschritt durch das Lokal und begrüßt seine jungen Kumpel, die sich gerade über komplizierten Schnittmusterbögen die Köpfe heißreden. „Yo, was geht ab, Alter? Alles schnafte?“ – „Knorke mit Krückstock!“, erwidert Hugo mit einem verschwörerischen Blinzeln. Tungersdorf ist ein Gangsta-Rentna der alten Schule. Heute will der gelernte Werkzeugmacher den Jungspunden mal zeigen, was mit der Laubsäge alles möglich ist. Seine Jungs sitzen schon mit gezückten Laubsägen am Tisch und harren den Erläuterungen des umtriebigen Bastel-Gurus. Für heute hat sich Hugo Tungersdorf etwas Besonderes ausgedacht – er möchte mit den Jungs einen Sinnspruch aussägen, den sie sich über den Küchentisch hängen können oder über die Nähmaschine. Wirt Robert Donian betrachtet das muntere Treiben in seinem Lokal voller Wohlwollen. „Ist doch besser, als wenn jede Generation vor sich hin vegetiert. Hier kann jeder vom anderen lernen.“ Als er dem Tisch mit den Laubsägern heiße Schokolade serviert, erklärt Tungersdorf seinen aufmerksam lauschenden Eleven wie zum Beweis gerade die korrekte Blattführung.

„Wenn du die Säge richtig hältst, wirst du eins mit dem Material, dann cruist du förmlich durch das Holz. Spürst du den flow?“ – „O yeah, Mann“, antwortet Florian, der eben den Spruch „Kaufe gut“ fertig gesägt hat, „Hugo, du bist meine Stilikone, ich spendier dir einen Jägermeister!“

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